Kokoschanskys Freitag
kommentiert er völlig ruhig und gelassen. „Eine kleine Demonstration wie ich mit Verrätern umzug ehen pflege. Und er war ein potenzieller Verräter. Mit seiner Frage vorhin hat er sich verraten. Solche Männer kann ich ..., können wir nicht gebrau chen. Ich hoffe, ihr habt aus der Lektion gelernt. Vergesst nie, ich war einmal Söldner und kenne alle Tricks. Jetzt verschwindet. Du“, er zeigt auf den Mann, dem er die Entführung von Irmgard Kubela und ihrer Tochter befo hlen hat, „du bleibst noch hier und schaffst die Leiche dieses Scheißkerls weg. Wirf sie in den stillgelegten Brunnen hinter dem Silo.“
***
Der Haufen aus zerknülltem Papier und zerrissenen Zettel, rund um Koko schanskys Schreibtisch gleichmäßig verteilt, wird von Stunde zu Stunde größer. Als Lena hereinkommt, verdreht sie die Augen und öffnet das Fenster. Kein Wunder, der Aschenbecher ist übervoll, so dass kaum mehr eine Kippe darin Platz findet.
„Sag mal“, gähnt sie, „wie lange willst du noch tüfteln? Gleich ist Mitternac ht und dein Sohn hat ein Anrecht auf einen ausgeschlafenen Vater.“
„Ich weiß, mein Schatz. Nur noch ein bisschen. Ich komme gleich nach.“
„Kommst du wenigstens voran?“
„Es ist wie verhext, als hätte ich einen Knopf im Hirn. Aber ich weiß, dass ich es schaffe.“
„Na dann, gute Nacht“, resigniert Lena. „Ich gehe schlafen. Sei leise, wenn du irgendwann nachkommst.“ Sie gibt ihm einen flüchtigen Kuss auf die Stirn.
Alle nur erdenklichen Varianten, die ihm eingefallen sind, hat er bereits zum x-ten Mal durchgespielt und ist zu keiner brauchbaren Lösung ge kommen. Was ihm derzeit zur Verfügung steht, ist mehr als dürftig. Hinter dieser mysteriösen Zahlengruppe Eins-acht-neunzehn-acht sollen Rechts radikale stehen. Erdenberger gehörte zu ihnen. Ob als Mitläufer oder Voll mitglied ist momentan nicht so wichtig. Es gibt keinen Grund an den Aussagen seiner Ex-Frau zu zweifeln. Dann wird der offensichtliche Neonazi Erdenberger von einem türkisch-stämmigen Polizisten erschossen. Tags darauf ist auch dieser Bulle tot. Obwohl Kokoschansky ständig die Nachrichten verfolgt und auch im Internet sucht, bisher wurde noch nichts über die Todesursache von Erkan Kaytan verlautbart. Eine Zeit lang glaubte der Journalist, dass er sich verrannt hat und von Beginn an auf einer falsch en Fährte war. Es wäre durchaus möglich gewesen, dass der Polizist eine Schwe s ter hatte, und durch irgendwelche Umstände kreuzten sich ihre Wege und die von Erdenberger. Daraus entstand eine Liebesgeschichte und ihrem Brud er ging das gegen den Strich. Schließlich weiß man, dass Liebesbeziehungen zwischen Christen und Moslems meist nicht unter einem guten Stern ver laufen. Dagegen spricht allerdings Kaytans plötzlicher Tod. Daher scheidet eine Fehde unter den beiden Männern mit hoher Wahrscheinlichkeit aus.
Dann fällt ihm ein, dass weder Lena noch er Irmgard Kubela zu eventuellen Frauengeschichten ihres Ex gefragt hatten. Warum erschießt ausgerechnet ein Türke, selbst wenn er Polizist ist und bereits in Wien geboren wurde, einen rechtsradikalen Bankräuber?
Zum wiederholten Male fährt sich Kokoschansky über seine Stoppel glatze und massiert seine Schläfen. Er hat bereits sämtliche Bücher seiner Bibliothek durchgestöbert, ob sich nicht irgendwo ein Hinweis auf diese Gruppe befindet. Ein bisschen kennt er sich zwar mit Rechtsradikalismus aus, doch es zählt nicht zu seinem favorisierten Themenkreis. Auch im Internet wurde er nicht fündig, obwohl er sämtliche Suchmaschinen mit allen nur erdenklichen Begriffen gefüttert hat. Ein Kollege, ein Radio journalist, fiel ihm jetzt ein, der als profunder Kenner und Spezialist für die Neonaziszene gilt. Den sollte er anrufen, doch zu dieser späten Stunde will e r ihn nicht stören. Auch trotz mehrmaligen Durchforstens des Verfassungsschutzberichtes 2009 findet Kokoschansky nicht den geringsten Hinweis. Obwohl er an Irmgard Kubelas Worten nicht zweifelt, macht es ihn doch stutzig, dass sie diese Informationen nicht bereits während ihrer Vernehmung zum Bankraub ihres Ex preisgegeben hat. Derzeit gibt es für Kokoschansky nur eine Erklärung: Angst. Schließlich war sie von Erdenberger bedroht worden. Wer weiß, unter welchem Druck er wirklich stand? Sei es durch seine Spielschulden oder durch diese unbekannte Gruppe. Wer sagt, dass Kubela wirklich alles Wissen darüber ausgeplaudert hatte?
Sollte es stimmen, dass diese
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