Kokoschanskys Freitag
Iraker wollen keine Iraner und so weiter. Viele der einheimischen Fahrer sind auf ihre ausländischen Kollegen sauer, weil sie die Meinung vertreten, in ihrem Berufsstand nur noch als Minderheit zu gelten, die von den Ausländern rücksichtslos ausgetrickst und über den Tisch gezogen wird. Trotzdem will es Kokoschansky versuchen. Taxilenker s ehen und hören viel, bekommen so allerhand mit.
„ Okay, gute Idee!“ Freitag ist sofort einverstanden. „Am Feiertag vor einem Krankenhaus zu stehen ist öde und schlecht fürs Geschäft. Wenn du jetzt nicht gekommen wärst, hätte ich einen besseren Standplatz angefahren. Heute werden keine Patienten entlassen. Die Ambulanzen haben auch geschlossen. Besucher kommen mit öffentlichen Verkehrsmitteln oder eigenen Fahrzeugen. Vielleicht nimmst du ja nochmals meine Dienste in Anspruch?“
„Mal sehen“, antwortet Kokoschansky einsilbig.
In der Caféteria des Krankenhauses verdrücken sich beide in eine ungestörte Ecke. Natürlich zieht Freitag aufgrund seines exotischen Aussehens und der athletischen Statur manchen verstohlenen Blick auf sich. Doch das stört den Fünfunddreißigjährigen nicht. Seit er unter Weißen lebt, ist das für ihn Alltag.
„Du bist ein Bulle“, sagt er unvermittelt zu Kokoschansky und sieht ihn mit seinen Kohleaugen durchdringend an.
„Wie kommst du darauf?“
„Voodoo-Zauber“, grinst Freitag alias Moses Quentarino bis über beide Ohren und seine makellosen Zähne würden jeden Hollywoodstar vor Neid erblassen lassen. „Habe ich gerade aus dem Kaffeesatz gelesen. Nein, i m Ernst. Für einen Gangster hast du zu ehrliche Augen und der verschlagene Blick fehlt dir ebenso. Als Taxler brauchst du eine grundsolide Portion Menschenkenntnis, sonst kannst du in diesem Job zusperren. Rassist schein st du auch keiner zu sein, da würden wir nicht an einem Tisch sitzen. Also Herr Kommissar gib’s zu, ich habe recht.“
„Und weiter ...“, Kokoschansky bleibt ungerührt und lässt sich nicht in die Karten blicken. Er verzieht nur die Mundwinkel und wartet, was wohl al s Nächstes kommt.
„ Da drin liegt dein Kollege und Freund“, setzt Freitag seine Analyse fort. „Niedergestochen von Unbekannten und ringt mit dem Tod. Mann, ich lese Zeitungen und hocke vor der Glotze! Außerdem bin ich nicht blöd. Gestern habe ich dir geholfen einen Verfolger abzuschütteln. Anscheinend hast du eine Frau mit ihrer Tochter in Sicherheit gebracht. Deine Frau war es nicht, die habe ich ja kurz davor mit deinem Sohn kennengelernt. Wenn das nicht alles zusammenpasst, möge ich auf der Stelle weiß werden. Oh boy, dein Kumpel da drin ... ihr müsst einer verdammt heißen Sache auf der Spur sein.“
Kokoschansky ist nicht leicht zu beeindrucken, doch Rastaman schafft es mühelos. Ein ausgebuffter Kerl, ein kluger Kopf und ein exzellenter Kombinierer.
„War das schon alles? Was hast du noch im Köcher?“ Sein leichtes Lächeln soll Freitag noch weiter aus der Reserve locken.
„Wie alles? Was denn noch?“, spielt Freitag den Ball zurück. „Jetzt bist du an der Reihe.“
„Also gut.“ Kokoschansky lässt sich Zeit, zündet sich gemächlich eine Zigarette an. „Durchschaut! Fast! Mein Freund liegt auf der Intensivstation und ist der Bulle aus den Medien. Und ich arbeite auch eng mit ihm zusammen, sodass ich mich oft schon frage, ob ich nicht selbst schon auf der Stirn ein Blaulicht montiert habe.“
„Undercover, V-Mann, Agent? Welcher Geheimdienst? Hat Österreic h überhaupt so etwas?“
„Von allem ein bisschen“, Kokoschansky nimmt einen weiteren Zug aus seinem Glimmstängel und lässt dabei Freitag nicht aus den Augen, der ihm förmlich an den Lippen hängt. „Ich bin Journalist und seit einiger Zeit schreibe ich auch Bücher.“ Als Beweis schiebt er dem Rastaman seinen Presseausweis über den Tisch.
„Fast voll ins Schwarze getroffen“, lacht Freitag. „Gib zu, dass ich verdammt gut war.“
„Das war sogar mehr als ausgezeichnet. Kompliment!“
„Fein, freut mich. Gelingt es einem Schwarzen doch einen Weißen zu beeindrucken, ohne gleich amerikanischer Präsident sein zu müssen. Warum sitzen wir eigentlich hier?“
Jetzt ist die Reihe an Freitag Kokoschansky abzuklopfen. „Vielleicht, weil wir uns sympathisch sind?“
„Okay, okay, okay! Streite ich auch nicht ab. Doch da steckt auch noch etwas anderes dahinter. Ich merke das, mein Freund. Ich brauche dir nur in die Augen zu sehen. Du weißt, Voodoo-Zauber ... Es stimmt, du
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