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Kokoschanskys Freitag

Kokoschanskys Freitag

Titel: Kokoschanskys Freitag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Günther Zäuner
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hast diese Frau und das kleine Mädchen in Sicherheit gebracht, weil sie sich vor irgendwem verstecken müssen.“
    „Hundert Punkte!“, lächelt Kokoschansky wieder und spielt mit dem Kaffeelöffel. „Du bist aber auch nur Taxifahrer, weil du musst, um zu überleben. Du hast mehr auf dem Kasten. Oder willst du mir weismachen, du bist hier in Wien, weil Leute herumzukutschieren deine Berufung ist? Also, wer bist du wirklich?“
    „Da scheinen sich wohl zwei getroffen zu haben, die aus dem gleichen Holz geschnitzt sind“, wird nun Freitag plötzlich ernst. „Okay, ich bin Moses Quentarino, aber meine Freunde nennen mich Freitag. Ist so ein Spleen von mir, weil ich schon als Kind gerne Robinson Crusoe gelesen habe und mir die Figur des Freitag gefällt. Meine Frau heißt Marylou, ebenfalls schwarz, stammt wie ich aus Nigeria und wir sind seit zehn Jahren verheiratet. Mein e Frau arbeitet tagsüber als Putzfrau in einem Reinigungsunternehmen, wäh rend unsere drei Sprösslinge im Kindergarten sind. Jamie ist fünf Jahre alt, unser Ältester. Suzy und Jordan sind Zwillinge, drei Jahre alt. Vor zehn Jah­ren kamen Marylou und ich nach Österreich. Du kannst dir bestimmt vorstellen auf welche Weise. War nicht sehr schön und obendrein noch sehr teuer. Es war nicht leicht hier Fuß zu fassen, aber wir haben es geschafft, und wir hatten uns bereits in Nigeria geschworen, wir heiraten erst in Freiheit. Marylou hatte ich in Ikot Ekpene kennengelernt. Das ist die größte Stadt im nigerianischen Bundesstaat Akwa Ibom, im Süden des Landes. Wir sind beide vom Stamm der Ibibio. Unsere Dörfer waren uns zu eng geworden. Zum Glück ließen unsere Eltern uns zur Schule gehen.“ Freitag greift in seine Jacke. „Übrigens, damit kann ich auch dienen. Nur ist das Ding hier nichts wert und in Nigeria lebens­gefährlich. Zumindest für mich und meine Familie, wenn wir geblieben wären. Seit einem Jahr sind wir nun endlich auch österreichische Staatsbürger.“
    Freitag hält Kokoschansky einen nigerianischen Presseausweis unter die Nase. Kokoschansky muss zugeben, damit hätte er niemals gerechnet. Arzt, Techniker, alle möglichen Berufe hätte er Freitag zugetraut, doch niemals J ournalist. Nachdenklich betrachtet er das sicherlich echte Dokument. Wa s hätte Freitag davon, ihm Lügengeschichten aufzutischen? Dafür ist er viel zu klug.
    „Servus Kollege“, mehr fällt Kokoschansky im Moment nicht ein und er hält ihm die Hand hin, die Freitag bereitwillig ergreift und schüttelt. „Hast du nie probiert in Österreich journalistisch zu arbeiten?“
    „Doch, doch. Alles Mögliche habe ich versucht, aber inzwischen bin ich, glaube ich, ein ganz guter Österreicher geworden und kenne mich auch in der heimischen Medienlandschaft halbwegs aus. Auch wenn ihr euch, und bitte nimm das jetzt nicht persönlich, der Welt gegenüber als antirassistisc h präsentiert, gibt es noch viel zu viele, die um Schwarze einen großen Bogen machen. Am liebsten nichts mit denen zu tun haben wollen. Als Schwarzer bist du gleich als Drogendealer verdächtig, sobald du über die Grenze kommst. Was meinst du, wie oft ich schon von den Bullen gefilzt wurde. Meine Frau wurde nicht nur ein Mal auf der Straße als Negerhure beleidigt und es gibt immer noch genug Scheißtypen, die ihr ganz offen Geld bieten, wenn sie mit ihnen ins Bett geht. Und es ist denen scheißegal, ob die Kinder dabei sind oder nicht. Zum Glück hat meine Frau ein Mundwerk wie ein Schwert, s pricht ebenfalls sehr gut deutsch und weiß sich dementsprechend zur Weh r zu setzen. Trotzdem wurde sie deswegen schon zweimal ins Gesicht geschlagen. Eines weiß ich, sollte ich jemals dabei sein und ich höre derglei chen, garantiere ich für nichts. Schenk mir bitte eine Zigarette. Ich Sautrotte l habe meine im Auto liegen lassen. Ich bin nur ein Schreiber, kein Fernseh­ journalist. Welches Blatt soll mich nehmen? Wen interessieren tatsächlich Berichte aus und über Afrika? Die Mehrheit bestimmt nicht. Und die wenigen afrikanischen Medien, die es hier gibt, sind zu klein, können zu wenig langfristig bewirken und ich habe Familie. Schließlich müssen wir auch von etwas leben.“
    „Dann bist du also aus politischen Gründen aus Nigeria geflohen?“ Kokoschansky gibt Freitag Feuer.
    „Richtig. Ich habe einige zu kritische Artikel für Your Independable Voice geschrieben, eine Wochenzeitung in Akwa Ibon. Du musst wissen, gerade dieser Bundesstaat ist sehr reich an Bodenschätzen. Erdöl,

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