Kokoschanskys Freitag
Kalkstein, Erdgas, Lehm, Salz, Kohle und Nitrat. Und dort ist auch die Operationsbasi s von Exxon Mobil.“
„Und denen bist du in die Quere gekommen, weil du gegen diesen Ölmulti angeschrieben hast.“
„Damals war ich ein junger Spund. Heißblütig, naiv und blauäugig. Dachte, dass man mit einer scharfen Schreibe vielleicht meine Heimat doch vor totaler Ausbeutung und Zerstörung retten kann und die übrige Welt setzt sich für uns ein. Leider musste ich sehr schnell begreifen, dass der Präsident und sein Kabinett in Abuja mit denen unter einer Decke stecken und natürlich kräftig geschmiert werden. Eines Tages lag mein Chefredakteur mit Kopfschuss und abgehackten Händen in einem Straßengraben. Ich ging in den Untergrund, publizierte mit Hilfe von Freunden unter verschiedenen Pseudonymen weiter, bis ich verraten wurde und mich das Militär aus meinem Versteck holte. Kurze Rede, langer Sinn. Das Übliche: Folter, Haft, das volle Programm. Meine Familie und das gesamte Dorf legten zusammen, kauften mich frei. Schweren Herzens musste ich mich entschließen meine Heimat zu verlassen. Meine Eltern, meine Geschwister ... bis heute habe ich keine Ahnung, was aus ihnen geworden ist. Afrika ist dem Rest der Welt nur wichtig, solange es auszubeuten ist. Ansonsten interessiert sich niemand für diesen Kontinent.“ Verächtlich deutet Freitag auf Kokoschans kys Handy, das auf dem Tisch liegt. „Diese Dinger hat der weiße Mann auch Afrika zu verdanken. Ohne das Erz namens Coltan würden wir alle, hab e ja schließlich auch so eines, weiterhin von Telefonzelle zu Telefonzelle laufen und zu Hause an der Strippe hängen. Coltan ist ein wesentlicher Bestandteil eines jeden Handys!“
„Ich weiß ...“, noch ringt Kokoschansky mit sich selbst, doch im Grunde ist seine Entscheidung längst gefallen.
„Ja, Jah ist manchmal schwer zu verstehen. Du weißt, wenn ich meine?“
„Gott ... Du bist also ein Rastafari.“
„Ich komme aus Nigeria. Rastafaris sind in Jamaika, aber ich mag deren Lebenseinstellung, den Reggae, das sehr gute Gras. Allerdings jenes zum Rauchen. Ein bisschen habe ich mir von ihnen angeeignet. Aber ich glaube an Jah.“
„Hilf mir“, sagt Kokoschansky leise.
Freitag beugt sich zu Koko vor. „Okay ... und wobei?“
„Verstehst du etwas von Autos?“
„Ja, ein bisschen. Soll ich deine Karre wieder flott machen? Scheiße, ist aber schlecht für mein Geschäft.“
„Wir werden uns schon einigen. Mein Auto ist nebensächlich. Viel wichtiger ist deine Hilfe bei einer weitaus wichtigeren Sache.“
„Die wäre?“
„Bei meiner Story. Mein Freund ist leider ausgefallen, weil er da oben liegt.“
„Jetzt verstehe ich wieder Jah“, und dabei strahlt Freitag über sein ganzes Gesicht.
***
Die Arme vor der Brust verschränkt steht Xaver Eigruber breitbeinig am Fenster einer geräumigen Stube seines Gutshofes und beobachtet die schmale S traße, die über eine Anhöhe durch den Wald direkt zu seinem Anwesen führt. Auf der Fensterbank steht ein Walkie-Talkie mit blinkender, grüner Kontrollleuchte.
In seiner dunkelbraunen Tweedjacke, dem karierten Hemd mit den Hirsch hornknöpfen, den schwarzen Reiterhosen und spiegelblank polierten Stiefeln gleicht er einem englischen Landlord, den ein düsteres Geheimnis umgibt.
Die Privatstraße wird von seinen Leuten bei jedem Wetter perfekt überwacht. Jede Bewegung im Umkreis von einigen hundert Metern wird, gut getarnt, registriert. Niemand kann unangemeldet bis zu Eigruber vor dringen. In der Umgebung geistern wilde Gerüchte rund um den Gutshof. An den Wirtshaustischen in den Gemeinden erzählen sich die Leute die abenteuerlichsten Geschichten, doch keiner weiß wirklich, was sich hinter dem dicken Gemäuer abspielt. Selbst über Eigruber weiß niemand Genaueres. Sollte er, was selten genug vorkommt, einmal in einem der Orte auftauchen, wird er ehrerbietig gegrüßt, aber man geht ihm aus dem Weg. Zweifelsohne verfügt der Mann über Charisma, strahlt Macht aus und ist keiner, der gewohnt ist in der zweiten Reihe zu stehen. Für die Polizei ist er ein unbeschriebenes Blatt und ist in den vielen Jahren nicht einmal, wie in dieser Gegend üblich, mit Alkohol am Steuer erwischt worden.
Endlich gibt das Funkgerät ein Lebenszeichen von sich, und aus dem kleinen Lautsprecher krächzt eine männliche Stimme, dass alles in Ordnung sei. Eigruber atmet erleichtert durch, drückt die Sprechtaste und knurrt die Erlaubnis zum Passieren. Kaum eine
Weitere Kostenlose Bücher