Kokoschanskys Freitag
Kopftuch über das Gesicht, schlägt ihr mit der Faust mit voller Wucht ins Gesicht. Synchron und ebenso brutal geht der Komplize mit der zweiten Frau um. Wie Säcke schultern sie die bewusstlosen Frauen, blicken sich kurz um, alles ruhig, und verschwinden in dem Abbruchhaus.
Zeitgleich treibt ein weiteres Kommando auf dem Naschmarkt sein Unwe sen, sprüht unsinnige Parolen wie Au Au Auschwitz! Ausländer ins Gas! an die Rollläden jener Marktstände, die Firmenschilder mit ausländische n Namen aufweisen.
In der Seitenstettengasse streift sich ein Mann unbemerkt OP-Handschuhe über, zieht aus einer Plastikfolie ein Kuvert und schiebt es schnell unter der Tür der Synagoge durch. Am Morgen wird der Kantor der jüdischen Ge meinde diesen Umschlag finden, öffnen und zitternd nur einen, aus Zeitungs buchstaben zusammengesetzten Satz lesen: Bald kommt der 9. November.
In den frühen Morgenstunden des siebenundzwanzigsten Oktobers wird ein sturzbesoffener Sandler 7 auf der Suche nach einem geeigneten Schlafplatz schlagartig nüchtern, als er im Keller des Abbruchshauses in der Haberl gasse zwei junge Frauen schwer verletzt entdeckt. Beide sind vollständig nackt, an Händen und Füßen gefesselt, mehrfach vergewaltigt und auf perverseste Weise gefoltert worden. Auf ihren Stirnen und Brüsten wurden m it Rasierklingen Hakenkreuze eingeritzt.
Kokoschansky wird davon noch früh genug Wind bekommen. Jetzt schläft er tief und fest, einen Arm um Lena gelegt. Und mit ruhigen Gewiss en. Der Generaldirektor für öffentliche Sicherheit hat sofort eine Groß fahndung nach Irmgard Kubela und ihrer Tochter Franziska veranlasst und die Zusage gemacht, noch in den nächsten Stunden das Café JoJo , trotz möglicher Widerstände von ganz oben, gründlich auseinanderzunehmen. Auch Kokoschanskys Bitte, an der Razzia teilnehmen zu dürfen, wird ihm von Schuberth zugesichert.
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Dienstag, 27. Oktober
Freitag sitzt mit seiner Familie am Frühstückstisch und hört fassungslos die Frühnachrichten. Dann geht er hinüber ins Wohnzimmer, schaltet den Fern seher ein, zappt sich durch die Kanäle und bleibt bei RTL hängen. Nach den Weltnachrichten kommt tatsächlich bereits ein Bericht über die Anschläge auf beiden türkischen Frauen, neunzehn und dreiundzwanzig Jahre alt. Besonders die Jüngere wurde dermaßen zugerichtet, dass die Ärzte ein Über leben bezweifeln. Auch die Nazischmierereien am Naschmarkt werden dem Zuschauer präsentiert. Danach folgt der Kommentar eines österreichischen Politologen, der diesen offensichtlichen Rechtsruck bewerten soll. Noch bleibt der eindeutige Drohbrief an die Synagoge unerwähnt. Entweder wurde er noch nicht gefunden oder diese heikle Sache bleibt derzeit noch unter Versc hluss.
Freitag geht zurück in die Küche und schickt die Kinder in ihre Zimmer, w eil er mit Marylou, seiner Frau, etwas zu besprechen hat.
„Du hast es im Radio gehört. Keiner von euch geht mir heute aus dem Haus. Versprich mir das! Ich habe es auch im Fernsehen gesehen. Eine der türkischen Frauen wird wahrscheinlich sterben. Jetzt muss gehandelt werden.“
„Was hast du vor?“ Seine Frau versucht ihn zurückzuhalten, aber er schiebt sie weg.
„Mach dir keine Sorgen. Ich bin nicht allein und ich weiß inzwischen einiges.“
„Woher?“
„Später, Liebes, später. Ich passe schon auf mich auf.“
***
Ein Brecher nach dem anderen bricht sich an den Klippen, die Gischt spritzt meterhoch. Die winzige Insel mit dem herrlichen Palmenstrand ist wie geschaffen für Liebespaare. Kilometerlanger, weißer, unberührter Palmenstrand, nirgendwo eine Menschenseele. Kokoschansky lehnt am Geländer der klei nen Veranda einer einfachen Hütte, die er selbst gebaut hat und beobachtet Lena, die sich, nur mit einem bunten Batiktuch um die Hüften gekleidet, mit dem Öffnen einer Kokosnuss abmüht. Auch er trägt nur so ein Tuch, mehr braucht es hier nicht. Immer nur Sonne, nichts als heiße Sonne. Nie meh r arbeiten, den Kopf für eine Story hinhalten, die ihn im Grunde gar nichts angeht. Nur mehr Lena und er. Langsam geht er auf sie zu, sie plagt sich noch immer mit der Frucht. Er umfasst sie von hinten an den Hüften, presst sich an sie. Augenblicklich wird die Kokosnuss uninteressant. Lena schmiegt s ich an ihn, streckt ihren Körper, biegt sich nach hinten, ihre Arme umfas sen seinen Nacken, er knabbert an einem
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