Kokoschanskys Freitag
Ausländerfeindlichkeit entlädt sich. Einheimische und Ausländer prallen in den Diskussionen aufeinander. Pro und Kontra. Nur besonnene Gemüter in beiden Lagern können tätliche Auseinandersetzungen und größere Schlägereien verhindern.
Fikret Kaytan hat bereits seine Leute mobilisiert und wartet mit von Minute zu Minute steigender Spannung auf den Einsatzbefehl des Imams. In dessen Gebetsraum, der als improvisierte Moschee dient, liegen versteckt die Sprengstoffgürtel und warten darauf, scharf gemacht zu werden.
Im Büro von Schuberth ist ein Krisenstab eingerichtet worden. Nach längerem Abwägen des Für und Wider kommen die Führungskräfte zu der Übereinkunft, das Café JoJo vorerst ungeschoren zu lassen, obwohl Petranko wahrscheinlich von einem Albaner niedergestochen worden war. Es soll jedoch rund um die Uhr observiert und eventuell auch ein V-Mann eingeschleust werden. Nur Schuberth weiß, dass Petranko eher ein Zufallsopfer war und Kokoschansky das eigentliche Ziel sein sollte, nachdem ihm der Journalist den möglichen Zusammenhang erklärt hatte.
Eine Razzia im JoJo zum gegenwärtigen Zeitpunkt hätte fatale Folgen, da die Aktion sofort von der Opposition, allen voran den Grünen, zu einem Politikum unter dem Slogan „Polizei schürt Ausländerhass“ hochstilisiert werden würde. Das Cuxhavener Kennzeichen ist nur ein Indiz, kein Beweis, nichts weiter und die Rugovas verfügen über Topanwälte.
Schuberth und Kokoschansky haben ein stillschweigendes Abkommen getroffen. Der Journalist wird seine Recherchen mit dem GD abstimmen, im Gegenzug wird er von Schuberth laufend über den Ermittlungsstand informiert. Ein Deal von dem beide Seiten profitieren. Beide sind sich auch einig, Greter auflaufen und dumm sterben zu lassen.
Sollte es für Kokoschansky und Lena brenzlig werden – Schuberth ist die Lebensgemeinschaft bekannt – wird sie der GD nicht im Regen stehen las sen. Allerdings darf Lena ihre beruflichen Kompetenzen nicht überschreiten und muss sich an den Dienstweg halten, sonst kann auch er ihr im Ernstfall nicht aus der Patsche helfen.
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„Okay, Brüder und Schwestern“, Freitag blickt in die Runde der rund zwanzig schwarzen Frauen und Männer, die sich um ihn versammelt haben, „dann sind wir uns einig, dass wir auf eigene Faust handeln. Jetzt ist die gesamte Black Community gefordert. Heute sind es Türken, morgen wir. Sich nur allein auf die Polizei zu verlassen, ist zu wenig. Ich habe euch erzählt, was ich von meinem Freund erfahren habe und was dahinter stecken kann.“
Die wild entschlossene Gruppe mit Menschen aus Nigeria, Sierra Leone , Angola, Mozambique, Guinea-Bissau und anderen afrikanischen Staaten hat sich im Probenraum der Reggaeband Jah Jah Live versammelt. Jeder hat in seinem Heimatland viel Schreckliches erlebt. Politischen Terror, Folter, Willkür, Haft, übergeschnappte und gierige Diktatoren, Regime der Ge walt und Ausbeutung. Sie sind entweder allein oder mit der Familie auf abenteuerlichen Wegen nach Österreich geflüchtet, kratzten dafür alles Geld zusammen, das sie auftreiben konnten, um die Schlepper und Schleuser zu bezahlen. Sie haben alle das berüchtigte Flüchtlingslager Traiskirchen in Niederösterreich hinter sich. Viele verfügen über fundierte Ausbildungen, doch aufgrund ihrer Hautfarbe werden sie oft am Arbeitsmarkt abgewie sen, und Alltagsrassismus sind sie gewöhnt.
„Sag mal, Freitag“, wendet sich Rocco, der Drummer der Band, ein schwarzer, beinahe zwei Meter Schrank, „du schwörst große Stücke auf dieses Weißgesicht. Ist dieser Kokoschansky tatsächlich in Ordnung?“
„Dem könnt ihr blind vertrauen“, bestätigt Freitag, „der Typ ist sauber. Ich habe ein bisschen über ihn im Internet recherchiert und gegoogelt, nicht s Negatives. Und ein verdammt guter Journalist und Autor. Ich war in meiner Heimat auch Journalist und habe vielleicht durch ihn die Chance aus diesem Scheißtaxigewerbe auszusteigen und endlich wieder in meinem eigentlichen Beruf arbeiten zu können. Außerdem lebt er mit einer Polizistin zusammen.“
Rocco schaut sich um. „Dann soll er doch seinem Mädchen sagen, sie soll mal ihren Bossen deutlich machen, dass wir Schwarzen, wenn wir unsere Ärsche aus den Haustoren bewegen, nicht alle automatisch Koksdealer sind und unsere Frauen keine billigen Huren. Damit wäre uns schon sehr viel geholfen. Letzte Woche wurde ich dreimal aus der U-Bahn gehol t und gefilzt und auf der Straße zweimal. Es reicht
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