Kokoschanskys Freitag
trinken?“
Kokoschansky und Lena entscheiden sich für Kaffee und Orangensaft. Nachdem Lansky das Gewünschte serviert hat und sich die drei einige Ze it mit einem etwas belanglosen Smalltalk vertrieben haben, setzt sich der Polizist ihnen gegenüber und blickt den Journalisten an.
„Du hast dich sicher über meinen Anruf gewundert. Zuerst lasse ich jahrelang nichts von mir hören, dann plötzlich melde ich mich und noch dazu so mysteriös. Aber der Reihe nach Greift nur zu!“ Lansky schieb eine Schale mit Knabbergebäck über den Tisch. „Wie ich schon am Telefon erwähnt habe, ist eine Sache klar. Da geht es um eine Kollegin, die vor einigen Jahren unverschuldet einen schweren Motorradunfall hatte, ein Bein verlor und noch immer um Schmerzensgeld prozessiert. Jetzt hat sie ihre Geschichte niedergeschrieben und sucht einen Verlag. Da man inzwischen über dich auch in Buchläden stolpert, habe ich mir gedacht, dass du ihr vielleicht helfen kannst.“
„Geht klar. Ich maile dir heute noch Kontaktadressen. Da fällt mir schon etwas ein. Aber mich interessiert brennend, warum es dich ausgerechnet hierher verschlagen hat? Ich meine, ich habe nichts gegen das Landleben ...“
„Neugierig wie ein Wald voll Affen“, lacht Lansky.
„Dafür ist er auch Journalist“, bemerkt Lena. „Er hätte aber auch einen g anz brauchbaren Bullen abgegeben.“
„Das kann ich bestätigen“, fährt Lansky fort. „Aber das ist eine andere Geschichte. Nun, irgendwann kam der Zeitpunkt, dass ich eigentlich nicht mehr mit dem ganzen Elend in der Drogenszene, mit dem ich täglich kon frontiert war, klar gekommen bin. Ich war ziemlich fertig, ausgebrannt. Jeden Tag rennst du gegen eine Wand und kannst überhaupt nichts ändern. Aber da erzähle ich euch nichts Neues. Kurzum, in dieser nicht besonders erbaulichen Zeit lernte ich meine heutige Frau kennen.“ Der fünfunddreißig jährige Polizist deutet auf einen Aschenbecher. „Übrigens, wenn ihr rauchen wollt, kein Problem. Ich rauche nur, wenn meine Frau nicht zu Hause ist. J etzt ist sie drei Wochen wegen ihrer Bandscheiben auf Kur.“
„Na bis dahin ist euer Palast wieder durchgelüftet“, grinst Kokoschansky, der sich bisher vornehm zurückgehalten hat.
„Tut euch keinen Zwang an ... Meine Frau stammt aus Breitenwaida. Vor einem Jahr haben wir geheiratet, nächstes Jahr planen wir unser erstes Kind. Der Baugrund war ein Hochzeitsgeschenk ihrer Eltern, das Haus entstand in Eigenregie und mit Hilfe der gesamten Nachbarschaft. Etwas, wa s in der Großstadt gänzlich verloren gegangen ist. Und die beschauliche Ruhe hier ist nicht zu verachten. Nach der Hochzeit habe ich mich nach Hollabrunn versetzen lassen. Was den Job betrifft, bin ich vom Regen in die Traufe gekommen. Am Karlsplatz habe ich Junkies aufgesammelt und Dealer ein gelocht. Zwar gibt es hier auch eine Drogenszene, doch die ist überschaub ar und leicht zu kontrollieren. Dafür ziehe ich jetzt, meist am Wochenende, besoffene, schwer verletzte oder tote Raser aus ihren Autowracks. Disco unfälle, das gesamte Programm. Dazu viele Einbrüche, die Täter meist aus dem ehemaligen Ostblock, die Aufklärungsquote gleich null. Langsam wer de ich auch von den Kollegen akzeptiert. Am Anfang war ich der Wiener, der in die Provinz gekommen ist und sich wichtig machen will. Ich sage es nur ungern, auch wenn es sie nach der Polizeireform nicht mehr gibt, Land gendarm bleibt Landgendarm. Daher kann ich auch mit denen nicht über a lles reden und freue ich mich deshalb, dass ihr so schnell kommen konntet. Ausschlaggebend waren auch die Übergriffe auf die beiden Türkinnen und die Nazischmierereien. Ich denke mir, das ist eine Story, ganz nach deinem Geschmack, Koko. Darum habe ich sofort an dich gedacht.“
„Erzähl einfach weiter, Kurt“, drängt Kokoschansky und an seinen Augen ist zu erkennen, dass Lansky natürlich ins Schwarze getroffen hat.
„Zu mir in die Polizeiinspektion ist eine Frau gekommen, die ihren Mann als vermisst gemeldet hat. Was ich dir jetzt sage, kannst du dir notieren, Schriftliches kann ich nicht aus der Hand geben, logisch. Die Frau heißt Sabine Mallender, wohnt in Suttenbrunn, ein Nachbarort, nicht weit von hier. Sebastian, ihr Mann, ist mir schon einige Male aufgefallen. Einmal habe ich ihm wegen Trunkenheit am Steuer den Führerschein abgenom men. Ein ziemlicher Rassist und Ausländerhasser. In meiner Dienststelle kann ich mit niemanden darüber reden. Erstens würden sie es nicht
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