Kokoschanskys Freitag
gehört und vermieden bis zum eigentl ichen Explosionsort vorzudringen. Man muss nicht überall dabei sein. Inzwischen steht fest, es war ein Bombenanschlag. Noch ist unbekannt, ob es ein oder mehrere Täter gibt. Auch über das Motiv ist nichts bekannt. Nicht nur ihm fällt eine Parallele auf. Viele sprechen von Moskau, wo in zwei U-Bahn-Zügen zwei Selbstmordattentäterinnen Bomben gezündet und fünfunddreißig Menschen in den Tod gerissen haben. Nach Kokoschanskys Einschätzung und dem , was er mit eigenen Augen gesehen hat, wird diese Opferzahl auch ungefähr auf Wien zutreffen.
Eine Stunde nach dem Attentat ergeht ein Bekenneranruf an die Austria Presse Agentur . Eine männliche Stimme spricht in gebrochenem Deutsch, dass ein Kommando Doku Umarow die Verantwortung übernimmt. Doku Umarow ist jener tschetschenische Guerillakämpfer aus dem Kaukasus, der mit seinen Leuten und terroristischen Methoden für die Unabhängigkeit der Gebirgsregion kämpft. Auch auf einschlägigen Internetseiten und in Foren beke nnt sich dieses Kommando fast gleichzeitig zu dem feigen Anschlag.
Nach erstaunlich kurzer Zeit sind auch Bundeskanzler, Innenministeri n und andere Mitglieder der Regierung am Katastrophenort eingetroffen, um si ch ein Bild der Lage zu machen. Sie sprechen mit den Menschen, zeigen Anteilnahme. Mehr können sie in dieser Stunde nicht tun. Im Fernsehen spricht der Bundespräsident in einer improvisierten Ansprache von seinem Amtssitz, der Hofburg, zum Volk und verspricht, dass alles getan werde, diesen terroristischen Umtrieben im Land so rasch wie möglich das Handwerk zu legen. Kurze Zeit später wird von höchster Stelle eine dreitägige Staatstrauer angeordnet.
Kokoschansky gelingt es, durch eine Lücke in der Absperrung zu schlüpfen und sich aus dem Staub zu machen, ohne mit Journalistenkollegen in Berüh rung zu kommen. Die Innenstadt ist komplett im Chaos untergegangen. Menschen stehen fassungslos herum, unfähig auch nur einen Schritt zu tun. Der gesamte Straßenverkehr ist zusammengebrochen, nichts geht mehr. Der Journalist geht die Rotenturmstraße wieder hinunter Richtung Schweden platz zu seinem Auto und traut seinen Augen nicht. Tatsächlich steht dort ein Parksheriff und schreibt seelenruhig ein Strafmandant.
„Und?“, fragt Kokoschansky und ist knapp vor dem Ausrasten.
„Und was?“, kommt es rotzig von dem Beamten zurück. „Ist das Ihr Auto?“
„Ja.“
„Wie Sie vielleicht bemerkt haben, stehen Sie im absoluten Halteverbot.“
Kokoschansky tippt auf die Windschutzscheibe, zeigt auf das Presseschild.
„Interessiert mich nicht.“
Jetzt ist das Fass übergelaufen. „Hör mal zu, du vertrottelter Paragrafen reiter“, schnauzt ihn Kokoschansky an, „ein paar Meter weiter ist die Hölle ausgebrochen und du Wichser hast nichts Besseres zu tun als Strafzettel zu kritzeln?“
„Vorschrift ist Vorschrift.“ Der Beamte hat das Gemüt eines Fleischerhundes. „Außerdem zeige ich Sie wegen Beamtenbeleidigung an.“
„Tu das nur!“, tobt Kokoschansky. „Kannst du gleich weiter schreiben. Du Arschloch, Scheißkerl, sturer Bürokratenaffe! Und jetzt schleich dich, sonst hau ich dich aus deiner lächerlichen Uniform!“
Angesichts der Körpergröße dieser Rabiatperle zieht der Beamte vor, den Rückzug anzutreten. Kokoschansky reißt das Strafmandat heraus, das hinter dem Scheibenwischer eingeklemmt ist, zerknüllt es und wirft es ihm hinterher.
„Man trifft sich immer zweimal im Leben!“, ruft der diensteifrige Beamte. „Und wir beide sehen uns vor Gericht!“
Die Antwort darauf ist Kokoschanskys Stinkefinger.
***
SuzyQ und Lizzy, die beiden Schwarzafrikanerinnen, machen ihre Sache ausgezeichnet. Sie flanieren durch die Per-Albin-Hanson-Siedlung in Favoriten, einem Arbeiterviertel mit sehr hohem Ausländeranteil. Die Siedlung ist ein architektonisches Wohnbauverbrechen aus den Achtzigerjahren und strahlt den Charme einer riesigen Justizvollzugsanstalt aus. In dieser Ge gend wurden vor einigen Jahren drei Morde verübt, zwei Mädchen und eine junge Frau auf bestialische Weise abgeschlachtet.
Der unauffällige Kastenwagen ist so abgestellt, dass sich für Rocco, der hinter dem Steuer sitzt, ein gutes Blickfeld bietet und er die beiden Frauen nicht aus den Augen verlieren kann. Im Fahrzeuginnern warten zwei weiter e Schwarze. In einem leeren Gitarrenkoffer liegen drei Baseballschläger bereit.
SuzyQ und Lizzy sind sexy gekleidet, jedoch nicht aufdringlich. Sie
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