Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kokoschkins Reise

Kokoschkins Reise

Titel: Kokoschkins Reise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Joachim Schädlich
Vom Netzwerk:
der Türkei eingeladen. Ich habe gefragt: ‹Am Meer?› ‹Nein›, hat er gesagt, ‹Zuckerwasser›.»
    «An einem See», sagte Frank. «Und warum sind wir nicht hingefahren? Weil er gesagt hat, daß in dem Haus seine junge Freundin lebt. Schließlich kennen wir seine Frau. Ich habe ihn gefragt, wie seine Frau die junge Freundin findet. Er sagte: ‹Findet nicht gut.›»
    Lucy sagte: «Oder unser Änderungsschneider. Ein sympathischer Mann. Er spricht sehr gut englisch. Seine beiden Kinder sind die Klassenbesten. Ich habe ihn gefragt, ob er im Hause seiner Werkstatt wohnt. Nein, in einem anderen Viertel, wo die Wohnungen billiger sind.
    ‹Fühlen Sie sich dort wohl?›
    ‹Nein.›
    ‹Warum nicht?›
    ‹Zu viele Ausländer.›
    ‹Aber Sie sind selber Ausländer.›
    ‹Araber. Die sind schnell mit dem Messer.›»
    Oakley sagte: «Meinetwegen können Sie sich Ihren Änderungstürken sonstwohin   …»
    «Ich muß doch sehr bitten!»
    «…   aber eines steht fest: Eine Demokratie ist die Türkei noch lange nicht. Über den Völkermord an den Armeniern Neunzehnhundertfünfzehn darf nicht gesprochen werden. Religionsfreiheit   – Pustekuchen. Die Türken bauen in Europa Moscheen, aber die Christen dürfen in der Türkei keine Kirchen bauen. Frauen müssen einen Schritt hinter ihren Männern gehen. Junge Türkinnen, die sich emanzipieren wollen, werden ermordet im Namen der Familienehre. Ich sage Ihnen: Die Türkei und Europa, das paßt nicht zusammen.»
    «Sie haben nicht unrecht, Herr Oakley», sagte Olga Noborra, «aber deshalb müssen Sie niemanden persönlich beleidigen.»
    «Beleidigen?»
    «Den Änderungsschneider   …»
    «Der Schneider ist mir egal. Aber die Moslems, die unsere Twin Towers zerstört haben auf Befehl von Bin Laden, diesem Enkel Hitlers. Der Anführer der Attentäter, Mohammed Atta, hat in seinem Testament verfügt, daß bei seiner Beerdigung keine ‹unreinen Wesen› anwesend sein dürfen, nämlich ‹Tiere und Frauen›, vor allem nicht die unreinsten: ‹schwangere Frauen›. Diese Kerle führen einen Religionskrieg gegen uns, sie wollen unsere Art zu leben abschaffen, unsere Kultur, unsere Zivilisation. Es gibt kein islamisches Land, in dem Demokratie herrscht. Aber diese Leute können in demokratische Länder kommen und sich vermehren. Sie besitzen die Atombombe, das ist ihr Schwanz.
    Alles das wird gerechtfertigt von den Idioten der politischenKorrektheit, die auch bei uns das Zepter schwingen. Einen Kleinwüchsigen soll man einen vertikal Herausgeforderten nennen.»
    Frank fragte Lucy, ob sie ein Dessert wünsche.
    «Nein, danke. Laß uns gehen.»
    Frank und Lucy gingen.
    «Der Clash der Kulturen hat sie um das Dessert gebracht», sagte Sachnowski.
    «Das kann mir nicht passieren», sagte Oakley.
    «Sie haben die Dinge beim Namen genannt», sagte Kokoschkin. «Das tut nicht jeder.»
    Olga Noborra sagte: «Aber es ist nötig. Appeasement hat schon einmal geschadet.»
    «‹Geschadet› ist gut», sagte Oakley. «Es hat in die Katastrophe geführt.»
     
    Nach dem Lunch fragte Kokoschkin Olga Noborra, ob sie heute zu einer lächerlichen Veranstaltung zu gehen Lust habe.
    «Wann?»
    «Gegen dreiundzwanzig Uhr.»
    «Was ist es.»
    «Eine Hutparade.»
    «Vielleicht ist das Lächerliche lustig.»
     
    Freie Plätze an den Tischen rund um die Tanzfläche im Queens Room gab es nicht mehr.
    Kokoschkin sah Olga Noborra am Rand der Tanzfläche stehen und ging zu ihr.
    Eine Conférencieuse in der Mitte der Tanzfläche dirigierte mit spitzer Stimme eine Herde Frauen mittleren Alters im Kreis herum. Es waren 20, 25, 30.   Die Frauen trugen breitkrempige Hüte, die sie mit einem Eifer geschmückt haben mußten, der einer besseren Sache würdig gewesen wäre. Hatten sie die Hüte an Bord gebracht? Kokoschkin erinnerte sich nicht, bei der Einschiffung Frauen mit großen Hutschachteln gesehen zu haben. Die meisten Hüte trugen turmhohe Blumengestecke, manche Hüte balancierten Ladungen von Obst.
    Immer wieder kommandierte die Conférencieuse die eine oder andere Frau aus der Runde an den Rand. Es war nicht zu verstehen, warum diese Frauen den Zug verlassen mußten. Ihre Hüte waren ebenso bunt und überladen wie die Hüte der anderen. Die restlichen Frauen drehten lachend und gestikulierend Runde um Runde. Die Zuschauer winkten amüsiert.
    Schließlich blieben acht Frauen übrig; sie mußten sich in einer Reihe vor der Bühne aufstellen. Am Rand der Tanzfläche verstellten die aussortierten

Weitere Kostenlose Bücher