Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Koks und Karneval

Koks und Karneval

Titel: Koks und Karneval Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Ziegler
Vom Netzwerk:
Connection zu Charly Hoballa, dem Kokainkönig von Köln, hergestellt hatte.
    Während Lorcaz mit finsterem Gesicht das M-16-Sturmgewehr auseinandernahm, reinigte und wieder zusammenbaute, zogen draußen die Jecken vorbei und sangen trunken vor Glück und Kölsch die Hymne der Zechpreller und Abschreibungsprofis, Wer soll das bezahlen. Vielleicht wußten diese Pappnasen tatsächlich nicht, wer für alles bezahlen sollte – Jorge Gabriel Lorcaz wußte es genau.
    Zunächst einmal die vier fetten Mäuse, die seine Krawatte abgeschnitten und damit seine Ehre verletzt hatten; dann der blonde Clown und die schwarzhaarige Hexe, die seinen Kokskoffer geklaut hatten; und im übrigen jeder hijo deputa, der es wagen sollte, ihm in die Quere oder auch nur dumm zu kommen.
    Er würde seine Ehre wiederherstellen und seinen Kokskoffer zurückholen, und wenn die halbe Stadt dran glauben mußte. Seine Ehre und sein Kokskoffer waren alles, was er hatte. Auf die Ehre konnte er notfalls verzichten, aber nicht auf den Koffer mit den drei Kilo Kokain.
    Sie waren sein Startkapital für ein neues Leben, und ohne Startkapital konnte er nicht nur das neue Leben, sondern das Leben überhaupt vergessen.
    Denn daheim in Kolumbien, wo Jorge Gabriel Lorcaz bis vor wenigen Tagen als gatillero, als Mann vom Abzug, mit MP und Sturmgewehr die Narco-Geschäfte seines patrons gesichert hatte, war man nicht gut auf ihn zu sprechen.
    Erstens, weil er Kokain genommen hatte, das ihm nicht gehörte; zweitens, weil er eine Frau genommen hatte, die ihm nicht gehörte; drittens, weil er beides Francesco Ochobea genommen hatte, den alle Welt nur El Muerte nannte – und der einer der großen Bosse des Medellín-Kartells war.
    Natürlich konnte El Muerte den Verlust eines gatilleros verschmerzen.
    Natürlich konnte El Muerte auch den Verlust von drei Kilo Kokain verschmerzen.
    Was El Muerte nicht verschmerzen konnte, das war der Verlust seiner Ehre durch die schändliche Untreue seiner Frau. Der Schmerz war so groß gewesen, daß er in seiner Not keinen anderen Ausweg gesehen hatte, als den Schmerz einzubetonieren und im Rio Cauca zu versenken – und zwar zusammen mit seiner untreuen Frau. Und das hatte Jorge Gabriel Lorcaz aufgeschreckt.
    Wenn El Muerte schon mit seiner eigenen Frau so unsensibel umging, wie mochte er dann erst mit dem Liebhaber seiner Frau umgehen?
    Er kannte die Antwort: Selbst im besten Fall würde er ihn bei lebendigem Leib häuten und anschließend an den Eiern aufhängen. Häuten und an den Eiern aufhängen war eine schmutzige, unerfreuliche Angelegenheit, wie er aus seiner aktiven Zeit als gatillero wußte. So konnte man vielleicht aufdringliche Staatsanwälte und uneinsichtige Richter behandeln, aber nicht einen Jorge Gabriel Lorcaz.
    So hatte er sich eilends aus dem Staub gemacht, das Flugticket nach Frankfurt, Alemania, besorgt, Medellín und El Muerte hoffentlich für immer hinter sich gelassen, den großen Teich überquert, in Frankfurt den Wien-Ostende-Expreß bestiegen und mit Plänen für ein neues Leben und einem Koffer voller Kokain Köln erreicht.
    Ausgerechnet zur Karnevalszeit.
    Lorcaz kannte carneval.
    Er war zweimal in Rio gewesen, und carneval in Rio war das Paradies auf Erden. In Rio gab es keine mörderischen Weiber, die, mit Besen und Scheren bewaffnet, harmlose Handelsreisende in Sachen Kokain überfielen. In Rio zogen sich die Frauen aus, um den Männern zu gefallen, und entstellten sich nicht mit Pappnasen und Hexenmasken. In Rio …
    Nun, er war nicht in Rio.
    Er war in Köln, in Alemania.
    Und wenn die Weiber in Köln bewaffnet in den Karneval ziehen konnten, dann konnte es ein Jorge Gabriel Lorcaz allemal.
    So lud er das M-16-Sturmgewehr mit der Remington-Langwaffenmunition, überprüfte die Tec-9-MP, füllte das Magazin seiner automatischen Pistole und jonglierte ein paar Sekunden mit den Splitterhandgranaten, um seine Hände geschmeidig zu halten.
    Sein Landsmann und entfernter Verwandter Mario Luis Barrera sah ihm mit wachsender Nervosität zu. Überhaupt bereute er es längst, für Lorcaz die Connection zu Charly Hoballa hergestellt zu haben. Statt eine fette Provision zu kassieren, mußte er die Kosten für Lorcaz’ abenteuerlichen Rachefeldzug aufbringen. Und dabei schuldete er gerade jetzt einem gewalttätigen Zuhälter und Zocker namens Spider mehr Geld, als er je auf legale Weise verdienen konnte.
    Im stillen betete er zur Jungfrau Maria Auxiliadora, der Schutzheiligen aller cocainis, daß das Ganze nur

Weitere Kostenlose Bücher