Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Koks und Karneval

Koks und Karneval

Titel: Koks und Karneval Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Ziegler
Vom Netzwerk:
ein schlechter Scherz seines Landsmanns war.
    »Du willst doch nicht wirklich mit all diesen Waffen auf die Straße gehen, oder?« fragte er beunruhigt. »Die Polizei wird dich verhaften, bevor du zur Haustür hinaus bist; jede Wette.«
    Aber Lorcaz lachte nur.
    Die Polizei ihn verhaften? Den Polizisten wollte er sehen, der einen Jorge Gabriel Lorcaz verhaftete! Wozu hatte er denn die Tec-9, das M-16, die automatische Pistole und die beiden Handgranaten? Doch nicht zum Spaß!
    Barrera brach der Schweiß aus.
    Was er zunächst für machismo gehalten hatte, entpuppte sich als demencía – Lorcaz hatte nicht nur den Kokskoffer, sondern auch den Verstand verloren. Irgend jemand mußte ihm diesen selbstmörderischen Rachefeldzug ausreden. Wenn er mit der MP und dem Sturmgewehr in der Stadt herumballerte, war er schneller eine Leiche, als er Koks sagen konnte.
    Die deutsche Polizei verstand in dieser Hinsicht keinen Spaß.
    Die Polizisten würden Lorcaz erschießen und sich anschließend fragen, wie er an all diese Waffen gekommen war, und wenn sie die Antwort auf diese Frage fanden, war es mit Barreras süßem Dealerleben im kokainsüchtigen Alemania für immer vorbei.
    Hoffentlich tauchte Charly Hoballa bald auf!
    Vielleicht konnte ja Charly Hoballa Lorcaz davon überzeugen, daß Köln nicht Medellín war und ein Massenmord hier nur einen Haufen Ärger brachte.
    Charly war ein vernünftiger, realistisch denkender Mensch. Auf Charly würde Lorcaz hören. Ihm blieb gar keine andere Wahl, wenn er seinen verdammten Kokskoffer zurückhaben wollte. Charly würde es schon schaffen. Charly würde ganz klar sagen, was Sache war. Charly würde die ungeheure Gefahr, die ein schwerbewaffneter amoklaufender Jorge Gabriel Lorcaz für Köln und Mario Luis Barrera darstellte, mit ein paar überzeugenden Worten beseitigen.
    Barrera nickte tapfer.
    Auf Charly war Verlaß.
    Charly war Spitze.
    Außerdem war Charly die einzige Hoffnung, die er hatte.
     
    Eine halbe Stunde später wurde die einzige Hoffnung, die er hatte, fast von Lorcaz erschossen – selbst ein knochenharter kolumbianischer Gangster, der in Medellín aufgewachsen war, reagierte nervös, wenn plötzlich El Diablo persönlich in der Tür stand, schnaubend, fluchend und Zigarettenrauch aus den Nüstern blasend.
    Aber bevor Lorcaz El Diablo mit einer Garbe aus seiner Maschinenpistole durchsieben konnte, wurde er von Barrera aufgeklärt, daß El Diablo in Wirklichkeit Charly Hoballa war, der Kokainkönig von Köln in einem Karnevalskostüm.
    Kurz darauf verstanden sich die beiden Gangster prächtig.
    Sie mußten sich verstehen; ihnen blieb nichts anderes übrig. Schließlich wurden beide von der Polizei gejagt; beide brauchten den Kokskoffer, um sich mit dem Profit aus dem Drogendeal abzusetzen und irgendwo im Ausland eine neue kriminelle Existenz aufzubauen; und beide waren voller Haß auf alle, die ihnen diesen Schlamassel eingebrockt hatten.
    »Diese Schlampen machen wir zur Sau, das ist arschklar«, prophezeite Charly Hoballa teuflisch. »In so einem Fall gibt’s nur eins: suchen, aufspüren, abknallen, klar, arschklar.«
    Lorcaz grunzte befriedigt.
    Barrera goß sich mit zitternder Hand einen fünffachen Whisky ein.
    »Bullen vor meinem Haus, Bullen bei Jorges Ankunft im Hauptbahnhof – dafür gibt’s nur eine arschklare Erklärung«, fuhr Hoballa fort. In seine Augen trat ein diabolisches Funkeln. »Verrat! Und ich sage euch, dieses Verräterschwein wird in der Hölle schmoren, das ist so arschklar wie nur irgendwas.«
    Barrera stürzte den Whisky hinunter und schenkte nach. Irgendwie hatte er das unangenehme Gefühl, daß sich Charly Hoballa zu sehr mit seinem Karnevalskostüm identifizierte. Aber was sollte Barrera tun? Er war kein Exorzist; er war nur ein kleiner, von der Situation hoffnungslos überforderter Koksdealer.
    »Ich hab’ auch schon ’nen arschklaren Verdacht, wer das Verräterschwein sein könnte.« Hoballa steckte sich eine neue Zigarette zwischen die Lippen und zündete sie an. »Ein abgewrackter, durchgedrehter Doper namens Bernie Barnovic. Wenn ich die Ratte erwische, schieb’ ich ihr ’ne Handgranate in den Arsch und lass’ sie Samba tanzen, bis es kracht.«
    Aus seinen Nüstern stiebte Rauch.
    Lorcaz grunzte anerkennend.
    Barrera kippte den nächsten Whisky hinunter.
    Für Hoballa war es tatsächlich arschklar, daß Bernie Barnovic das Verräterschwein war. Es gab gar keine andere Möglichkeit. Bernie war der einzige außer ihm selbst, der

Weitere Kostenlose Bücher