Koks und Karneval
Susi mit einem gezielten Fußtritt in den Bauch gestoppt. Bernie entschied, daß es höchste Zeit war, vom Schlachtfeld zu verschwinden.
Da legte sich eine knorrige Hand wie eine Eisenklammer um seine Kehle.
»Hab’ ich dich endlich!« zischte Petrus. »Jetzt entwischst du mir nicht mehr, du Laus!«
Bernie trat verzweifelt um sich, doch Petrus lachte nur und schmetterte ihm den Geldkoffer vor den Kopf. Bernies Knie gaben nach. Vor seinen Augen tanzten rote Flecke.
»Pfoten weg von meinem Antennenmann!«
Der Pinguin! Er schleuderte Nina und Susi zur Seite, rannte die Maus und die Pappnase über den Haufen und stürzte sich auf Petrus. Von dem Angriff überrascht, ließ Petrus Bernie los, der halb ohnmächtig zu Boden sank.
»Ich werd’ dir helfen, meinen Antennenmann zu quälen!« brüllte der Pinguin. »Ich werd’ dir helfen, dich an den Kleinen zu ver …«
Petrus knallte ihm den Koffer vors Kinn. Der Koffer sprang auf, und die Bündel aus Geldscheinen und Zeitungspapier flogen durch die Kneipe. Der Pinguin schwankte, griff haltsuchend um sich, bekam Susis Gespensterlaken zu fassen und riß das Laken samt dem Kokskoffer ab.
Der Koffer landete direkt vor Bernies Nase.
»Scheiße!« kreischte Susi. »Ich hab’ den Kokskoffer verloren!«
Den Kokskoffer?
»Papier! Alles nur Zeitungspapier!« schrie Nina. »Petrus, du verlogener Bastard!«
»Wo ist der Kokskoffer?« kreischte Susi.
»Jetzt ist auch noch der Kokskoffer weg! Au jau!«
»Der Kokskoffer ist hier?« brüllte Petrus. »Wo ist der Kokskoffer?«
Bernie packte den Koffer und kroch zur Tür.
»Scheiße, der Antennenmann hat den Koffer, Nina!«
»Au jau, auf ihn drauf, Susi!«
»Bernie, du Laus, laß sofort den Koffer los!«
Aber Bernie ließ nicht los. Er stieß die Schwingtür auf und floh auf die Straße. Petrus stürzte hinterher und …
»… ja, ja, ein Pferd auf’m Flur … «
… prallte gegen die singende Pappnase, die in diesem Moment wie ein Kamikazejeck um die Ecke geschwankt kam. Petrus keuchte, stolperte zurück und knallte mit dem Hinterkopf gegen die Schwingtür. Wie von einer Axt gefällt, brach er zusammen.
Während Bernie weiterrannte.
Er hielt den Koffer mit beiden Händen fest und rannte den Lichtern des Chlodwigplatzes entgegen. Er blickte sich nicht um. Er rannte und rannte, und schon war er über den Platz und durch das Severinstor und im Ferkuluum, doch er blieb nicht stehen, sondern rannte weiter, bis er nicht mehr konnte.
In einer dunklen Gasse blieb er keuchend stehen.
Er starrte den Koffer an und öffnete ihn schließlich mit zitternden Händen. Ihm wurde schwindlig. Sechs Plastikbeutel, prall mit weißem Pulver gefüllt und sorgfältig verschweißt, lagen vor ihm; einer war geöffnet und mit Tesafilm wieder zugeklebt worden.
Sechs Pfund Kokain.
»O je, o je, o je«, sagte Bernie Barnovic.
Er riß den Tesafilm ab und grub seine Nase in den Schnee, schnupfte und schnupfte und schnupfte, bis ihm die Ohren klingelten und seine Schädeldecke abzuheben schien, und dann hob er das Gesicht zum Himmel, und sein wahnsinniges, triumphierendes Gelächter gellte durch die Weiberfastnacht, als wollte es niemals mehr enden …
Freitag
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»Dat mät die Saach jet kumpliziert.«
8
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Der Morgen graute, die Dämmerung kroch über den Rhein, und das erste Licht des neuen Tages bannte die Fastnachtsgeister. In der Altstadt und auf den Ringen, in der Südstadt und am Zülpicher Platz kehrte endlich Stille ein – die Kneipen schlossen, die Karnevalsmusik verklang, und die Jecken sanken abgeschminkt ins Bett.
Ganz Kölle schlief – nur KOKs Kaminski schlief nicht.
Er hatte die Nacht im Präsidium verbracht und den großen Schlag der SoKo Kokskoffer gegen alle Kokser der Stadt vorbereitet. Als die Morgensonne über dem Waidmarkt aufging, entdeckte er völlig übermüdet, daß er Medienstar für einen Tag geworden war:
WIEVERSCHLACHT IM HAUPTBAHNHOF!
KOLUMBIANISCHER KILLER ENTKOMMEN – 3 KILO KOKS VERSCHWUNDEN – RAUSCHGIFT-RAMBO VERHAFTET UNSCHULDIGE JECKEN
Zähneknirschend überflog er den Artikel, den Kommissar Jupp Heppekausen ihm auf den Schreibtisch gelegt hatte:
… High Noon im Kölner Hauptbahnhof … Kokskiller nach wilder Schlacht entkommen … Frauensparverein Kamelle und Schwager des Festkomiteepräsidenten verhaftet … Anna Lippscheidt (44): »Ist Bützen ein Verbrechen?« … Festkomiteepräsident Schmock: »Mein Schwager wollte doch nur singen und lachen!« …
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