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Kolibri

Kolibri

Titel: Kolibri Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Benvenuti
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linken Hand die Abfolge der Bilder. „Unfall in Chemiefabrik. Potentiell giftige Stoffe freigesetzt. Abzug funktioniert nicht. Mitarbeiter kommt mit den Giftstoffen in Berührung. Mitarbeiter verlangt Aussprache, Boss schmeißt ihn raus. Mitarbeiter sucht erneut das Gespräch.“ Die Hand flatterte ein paar Sekunden in der Luft, dann sank sie herab und Maria kniff die Augen zusammen.
    â€žWas?“, sagte Karl.
    Maria biss sich auf die Lippen und blickte nachdenklich auf ihre nackten Füße. Dann hob sie den Kopf und sagte: „Bis hierher versteh ich ja noch alles, aber dann? Was passierte dann, genau, meine ich?“
    Karl stieß geräuschvoll Luft aus und ließ seine Hand geistesabwesend über die Tür der Mikrowelle gleiten. „Das hab ich dir doch gerade erzählt. Ich bin am Abend zurück in die Fabrik und hab mit Berger gesprochen.“
    â€žUnd plötzlich waren da lauter Bullen, die glaubten, dass du eine Bombe hast?“
    â€žGenau.“
    â€žDu hast Berger nicht etwa gedroht, oder?“
    â€žGedroht?“
    â€žNa ja, dass etwas passieren
könnte
, sollte er dich nicht wieder einstellen.“
    Karl dachte ein paar Sekunden lang nach, dann zuckte er mit den Schultern. „Glaub nicht.“
    â€žDu
glaubst
?“
    â€žIch war nicht mehr ganz nüchtern“, sagte Karl trotzig. „War schließlich fast zehn am Abend.“
    â€žAber irgendwas musst du gesagt oder getan haben, um Berger davon zu überzeugen, dass du seine Fabrik sprengen willst. Ein hart-gesottener Geschäftsmann wie der gerät doch nicht wegen nichts in Panik.“
    Karl kratzte sich am Hinterkopf, dort, wo die Beule von seinem Aufprall auf dem Boden in Bergers Büro langsam Hühnereigröße erreichte, und dachte nach. Dann stahl sich ein Lächeln auf seine Lippen und er verdrehte die Augen.
    â€žWas?“
    â€žMir ist grad was eingefallen.“
    â€žNämlich?“
    â€žNa ja, dieses Gespräch, weißt du …?“
    Maria wartete ab und sagte nichts, obwohl sie Karl am liebsten gepackt und geschüttelt und zum Reden gezwungen hätte. Spuck’s endlich aus, hätte sie am liebsten gesagt, aber sie hatte genug Erfahrung im Umgang mit widerwilligen Interviewpartnern, um zu wissen, dass lange Pausen den meisten unangenehm waren und sie deshalb lieber weiterredeten, auch auf die Gefahr hin, etwas auszuplaudern, das sie eigentlich gar nicht hatten ausplaudern wollen. Also hielt sie die Kamera vor Karls Gesicht und wartete mit zusammengebissenen Zähnen, dass dieser seine endlich aufbekam.
    â€žKönnte sein, dass ich den Unfall im Labor erwähnt habe“, sagte Karl schließlich. „Und vielleicht hat Berger, na ja …“
    â€žDich falsch verstanden?“, soufflierte Maria.
    Karl nickte und kratzte sich am Hals, der wieder zu jucken begonnen hatte.
    â€žDu wolltest ihn auf das Gefahrenpotential eines defekten Abzugs hinweisen und er hat das so verstanden, dass du seine Firma in die Luft jagen willst.“
    â€žScheint so.“
    Geistesabwesend spielte Maria mit ihrer Halskette herum, mit der Kamera immer noch vage in Karls Richtung deutend, dann trat sie einen Schritt zurück, musterte das Labor und brach schließlich in schallendes Gelächter aus.
    â€žWas?“, fragte Karl.
    Maria drehte sich wieder um und sagte: „Ein Missverständnis. Ganz einfach. Ein simples Missverständnis.“
    Karl schwieg und betrachtete seine zerschnittenen Fußsohlen.
    â€žDu solltest aufgeben“, sagte Maria. „Geh einfach mit mir da raus und erklär ihnen alles. Erzähl ihnen die ganze Geschichte, so wie du sie mir erzählt hast. Ich glaub nicht, dass dir dann viel passieren wird.“
    Karl schwieg weiterhin und ließ seinen Blick durch das Labor schweifen. Bis auf ein paar Kratzer in der Wand, die wahrscheinlich von herumfliegenden Metallteilen herrührten, erinnerte nichts mehr an den Unfall, der erst, wann?, gestern stattgefunden hatte. Den Unfall, der sein Leben so plötzlich und nachhaltig verändert hatte. Vor zwei Tagen noch ein junger, gutausgebildeter Mitarbeiter einer florierenden Firma, gebunden mehr durch das Versprechen an einen alten Mann als durch die Aussicht, Karriere zu machen, und jetzt ein Krimineller, ohne Job, ohne Geld, ohne Aussicht auf eine Karriere. Und ohne Aussicht, das Versprechen, das er Rocín gegeben hatte, zu halten. Er seufzte, während

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