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Kolibri

Kolibri

Titel: Kolibri Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Benvenuti
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er vorsichtig über seine Fußsohlen strich, und dachte nach. Vielleicht hatte Maria Recht. Vielleicht sollte er einfach da rausmarschieren, hocherhobenen Hauptes, und die Situation klären. Nur, das konnte er nicht. Oder, besser gesagt, er wollte nicht.
    â€žIch geb nicht auf“, sagte er schließlich und blickte genau in die Linse der Kamera, die noch immer auf sein Gesicht gerichtet war.
    â€žWarum nicht?“
    â€žBerger“, sagte Karl nur.
    â€žVersteh ich nicht.“
    â€žMusst du auch nicht.“
    â€žDu willst ihm eins auswischen.“
    â€žGenau.“
    â€žDas ist kindisch.“
    â€žIch weiß.“
    â€žAber?“
    â€žNichts aber. Ich war jetzt fast ein halbes Jahr lang vernünftig, und schau dir an, wohin es mich gebracht hat.“ Er deutete mit angewidertem Gesicht auf die Laborgeräte, streckte seine blutigen Fußsohlen hoch und kratzte sich am Hals. „Mir reicht’s, verstehst du. Ich hab keine Lust mehr, jedes Mal, wenn jemand sagt
Spring!
, zu fragen
Wie hoch?
“
    Maria ließ die Kamera sinken, ging zu Karl und legte ihm den Arm um die Schulter. Sie wollte etwas sagen, etwas Intelligentes und Einfühlsames und Vernünftiges, aber ihr fiel nichts Passendes ein. Sie hatte keine Ahnung von Karls Lebensumständen, wusste nicht, wieso er tat, was er glaubte tun zu müssen, und bevor sie sich mit einer Plattitüde lächerlich machte, blieb sie lieber stumm.
    â€žIm Regenwald“, sagte Karl, „gibt es diese winzigen Vögel …“
    â€žKolibris?“
    â€žGenau. Also, diese Kolibris haben so einen schnellen Stoffwechsel, dass sie permanent fressen müssen, um nicht zu verhungern. Um die Nächte zu überleben, fallen sie in eine Art Koma und dämmern vor sich hin.“
    Maria wartete und drückte Karls Schulter. Er roch nach Schweiß und Angst und sein Gesicht war fleckig und seine Augen hatten diesen gehetzten Blick und sein T-Shirt war dreckig und feucht und ausgeleiert, und dennoch, wenn sie ihn so anschaute, heimlich, von der Seite, fiel ihr wieder ein, warum sie zwei Jahre mit ihm zusammen gewesen war.
    â€žDie letzten paar Monate kam ich mir wie so ein Kolibri vor, verstehstdu? Während der Arbeit hab ich diese ganze Scheiße hier in mich hineingefressen und den Rest der Zeit hab ich dann quasi im Koma verbracht. Und so hab ich das irgendwie überlebt.“
    â€žUnd jetzt?“
    Karl entzog sich ihrem Arm, sprang, Schnitte in den Sohlen hin oder her, von der Arbeitsfläche und rollte mit den Schultern. „Jetzt“, sagte er, „bin ich gerade aufgewacht.“
    Maria biss sich auf die Unterlippe und fragte sich, was sie tun sollte. Rausgehen und den Bullen erklären, dass sich hier drin gar keine Bombe befand? Würden die ihr glauben? Schließlich hatten sie nur das Wort einer Journalistin, die zufälligerweise die Exfreundin des mutmaßlichen Bombenlegers war. Vermutlich würden sie dennoch stürmen, prophylaktisch quasi.
    â€žDu hast vorhin gesagt, die WEGA würde vermutlich noch mal versuchen, die Fabrik zu stürmen“, sagte Karl.
    â€žWahrscheinlich. Ich meine, was sollen sie sonst tun?“
    Karl tapste im Labor herum, kratzte sich am Hals, betastete vorsichtig die Beule an seinem Hinterkopf und dachte nach. Er brauchte eine Art Plan. Und so etwas wie ein Ziel. Etwas kurzfristig Erreichbares, konkret, mit eindeutiger Wirkung. Dank Berger befand er sich in diesem ganzen Schlamassel. Dank Berger litt er. Nun, jetzt würde Berger auch leiden. Dank Karl.
    â€žIch hab eine Idee“, sagte er und lächelte.
    â€žJa?“, sagte Maria skeptisch, der die Art von Karls Lächeln gar nicht gefiel. „Du willst doch nicht etwa wirklich eine Bombe basteln, oder? Ich meine, falls du so etwas könntest.“
    Karl zuckte mit den Schultern, eine Spur zu lässig vielleicht, und sagte großspurig: „Sicher könnte ich so etwas“, obwohl er sich nicht so sicher war. Dann fügte er hinzu: „Keine Angst, ich bastle schon keine Bombe.“
    â€žSondern?“
    Karl grinste nur und verließ das Labor. Trat hinaus in den Gang und schaltete das Licht ein. Maria folgte ihm, ungeduldig und mehr als nur eine Spur neugierig. Die Story versprach immer spannenderzu werden. Karl ging ein paar Meter den Gang entlang und blieb vor einer großen, graugestrichenen Metalltür stehen, die er unter beträchtlichen

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