Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kolibri

Kolibri

Titel: Kolibri Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Benvenuti
Vom Netzwerk:
Beschimpfungen aus dem Innenministerium anhören können, dann war Hightower aufgetaucht mit diesem riesigen Hund und hatte es sich im Wagen bequem gemacht, und Drechsler hatte allmählich das Gefühl gewonnen, in einem surrealistischen Film mitzuspielen, in dem an allen Ecken und Enden irgendwelche Gestalten auftauchten und wieder verschwanden. Hightower samt Hund hier, Maria, ohne Hund, weg. Scheiße.
    Kalina beendete sein Gespräch und steckte sein Handy in die Brusttasche seines Overalls, die nach wie vor wie frisch gebügelt aussah. Ehe sich Drechsler erkundigen konnte, wie Kalina das machte, sagte dieser: „Okay, so schaut’s aus. Der Polizeipräsident hasstmich, der Generaldirektor für Öffentliche Sicherheit hat meinen Namen aus seinem Gedächtnis gestrichen und der schwarze Innenminister würde sich höchstpersönlich hinter den Grill bei einem SPÖ-Fest begeben, wenn er die Garantie hätte, meine Eier auf dem Rost zu haben.“ Blick auf Hightower: „Entschuldigen Sie die Ausdrucksweise.“
    Hightower: „Ich weiß, was Eier sind. Hab oft genug welche zerquetscht.“
    Mit Griff in den Schritt fuhr Kalina fort: „Die Situation ist wie folgt: Erstens, dieser Baumgartner hat jetzt eine Geisel in seiner Gewalt. Zweitens, Baumgartner ist vermutlich stinksauer. Drittens, das Überraschungsmoment ist dahin. Und viertens.“ Kalina schwieg und massierte seinen Nacken.
    â€žWas ist viertens?“, fragte Hightower und trank geräuschvoll einen Schluck Tee.
    â€žViertens, wir stehen wie die größten Idioten da“, sagte Kalina mit rauer Stimme. Sein Handy summte leise und Kalina hielt es sich ans Ohr, lauschte einige Sekunden, murmelte ein paar unverständliche Antworten und legte schließlich auf.
    â€žSchlechte Nachrichten?“, fragte Drechsler, dem Kalinas Gesichtsausdruck nicht gefiel.
    Kalina nickte. „Meine Männer haben versucht, über ihr Handy Kontakt mit dieser Journalistin …“
    â€žMaria“, sagte Drechsler, „sie heißt Maria.“
    Kalina winkte ab und fuhr fort. „Sie haben jedenfalls versucht, sie zu erreichen.“
    â€žUnd?“
    â€žSie hat ihr Handy beim Kameramann gelassen.“
    Drechsler: „Verdammt!“
    Hightower: „Was ist mit dem Festnetztelefon in der Fabrik?“
    Kalina: „Zerstört.“
    Hightower: „Verdammt!“
    Jemand klopfte energisch gegen die Seitenwand des Truppentransporters und Drechsler, der ohnehin schon nervös war, hätte sicherlichfallengelassen, was immer er in Händen hielt. Da diese jedoch leer waren, begnügte er sich mit einem Fluch und einem gebrüllten: „Haut ab, ihr Wichser!“
    Das Klopfen wiederholte sich und eine tiefe, männliche Stimme rief: „Ich bin’s, Simon, ich bring das Essen.“
    â€žWelches Essen?“, fragte Drechsler.
    Kalina deutete auf den Hund, der den Kopf gehoben hatte und mit hochgestellten Ohren zur Tür blickte.
    â€žDu hast Essen für den Hund bestellt?“, fragte Drechsler fassungslos.
    â€žSie hat den ganzen Tag nichts gefressen“, sagte Hightower und bat Simon hereinzukommen, was dieser auch tat. Er trug den gleichen dunklen Overall wie Kalina und hatte das rote Barett der WEGA keck aus der Stirn geschoben.
    â€žVier Paar Würstchen“, sagte er achselzuckend und stellte einen Teller mit kalten Frankfurtern auf die Konsole. „Mehr hab ich auf die Schnelle nicht auftreiben können.“ Dann zog er eine kleine Wasserflasche und eine flache Schüssel aus seinem Overall, füllte die Schüssel mit Wasser und stellte sie auf den Boden.
    Drechsler seufzte, beugte sich ein wenig vor und blickte aus der geöffneten Tür auf der Suche nach einem fetten, bärtigen Mann, der sich als Regisseur dieser Farce entpuppen und jeden Moment „Schnitt!“ brüllen würde. Alles, was er jedoch sah, war eine Vielzahl von Polizisten, ein paar Journalisten und, weit hinten, hinter dem Trassenband, eine gewaltige Menschenmenge, die Schilder hochhielt und Slogans skandierte, die er akustisch nicht verstand. Und dann hörte er sich zu seinem Erstaunen fragen: „Wo haben Sie die Würstchen eigentlich her?“
    Simon deutete mit dem Arm vage zur Straße hinüber. „Gegenüber gibt’s ein Gasthaus, es heißt
Vindobona
. Und da wegen der Evakuierung keiner dort war, hab ich mich eben selbst

Weitere Kostenlose Bücher