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Kolibri

Kolibri

Titel: Kolibri Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Benvenuti
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ihn in der Sakkotasche verschwinden. Bernhard Schrempfs Anruf hatte ihn gerettet, buchstäblich in letzter Sekunde. Berger hatte sich die fadenscheinigen Entschuldigungen seines Angestellten, kein Empfang im Labor, vor lauter Erschöpfung eingeschlafen, erst jetzt wieder munter geworden, angehört und dann Schrempfs Redestrom unterbrochen. Wir brauchen etwas, das die WEGA veranlasst, die Fabrik sofort zu stürmen, hatte er gesagt, der Bürgermeister ist samt der Million bereits auf dem Weg zum Zentralfriedhof, viel Zeit haben wir nicht mehr.
    â€žIch könnte eine provisorische Bombe zusammenbasteln“, hatte Schrempf gesagt.
    â€žIch hab eine bessere Idee.“
    â€žIch nehm einfach ein bisschen Schwefelsäure …“
    â€žSchrempf.“
    â€žâ€¦ und die mische ich dann mit ein wenig …“
    â€žSchrempf!“
    â€žJa?“
    â€žHalten Sie den Mund, Sie Schwachmat, und hören Sie zu. Mein Plan ist so simpel, dass sogar Sie in der Lage sein müssten, ihn umzusetzen.“
    Berger hatte die nächsten paar Minuten damit verbracht, Bernhard Schrempf genau zu erklären, was dieser zu tun hatte, und Schrempf hatte die Anweisungen seines Chefs Punkt für Punkt wiederholt und sie somit als verstanden bestätigt.
    Spürbar erleichtert blieb Berger ein wenig vor seinem Wagen stehen, genoss die warme Morgenluft und fuhr mit der flachen Hand über das taunasse Autodach. Die Feuchtigkeit fühlte sich angenehm kühl an, wie sie so an seinen Fingern glitzerte und funkelte. Lächelnd wischte er sich den Tau in seine Haare und für einen Augenblick nur hatte er wieder das Gefühl, ein Kind zu sein, jung, unschuldig, glücklich.
    Er stieg in den Wagen, schnallte sich an, fuhr Richtung Ring und steuerte den BMW in zügigem Tempo an den anderen Autos, den Straßenbahnen und Fiakern vorbei, die trotz der frühen Stunde schon Touristen durch die Stadt beförderten. Am Schwarzenbergplatz bog er ab, glitt an den zahlreichen Baustellen vorbei, die den Platz seit Ewigkeiten verschandelten, und befand sich schließlich auf dem Rennweg, wo er in den fünften Gang schaltete und ordentlich Gas gab. Die Limousine des Bürgermeisters hatte ein wenig Vorsprung und diesen gedachte er aufzuholen. Er lehnte sich zurück und genoss das sanfte Vibrieren des BMW. Ursprünglich hatte er vorgehabt, sich einen Porsche zu kaufen, einen schnittigen, knallroten Carrera. Er hatte einen Vertrag unterschrieben und eine Lieferzeit von mehreren Wochen in Kauf genommen. Am Vorabend der Auslieferung war er in einer Bar im Ersten zufällig neben zweigutgekleideten Männern gestanden, die über Autos geredet hatten, und der eine hatte gesagt, alles könne ein Mann von Welt kaufen, nur keinen Porsche, und der andere hatte genickt und gesagt, richtig, ein Porsche, das ist doch eine Proletenschüssel, sind wir uns ehrlich. Am nächsten Morgen hatte Berger den Vertrag storniert und sich einen nagelneuen BMW gekauft. Er mochte ja vieles sein, aber ein Prolet, das war er ganz gewiss nicht.
    Und wie er so die Straße entlangfährt, die er die letzten Jahre mindestens sechs Mal wöchentlich, in beide Richtungen, auf dem Weg zur oder von der Arbeit entlanggefahren ist, kommt ihm dieser denkwürdige Nachmittag vor rund sieben Monaten in den Sinn, dieser eine Nachmittag, an dem alles angefangen hat.
    Bernhard Schrempf kommt ins Büro gestürmt, ganz aufgeregt, ohne vorher anzuklopfen. Hinter ihm die mit den Armen fuchtelnde Sekretärin, die sich wortreich bei Berger entschuldigt, weil es ihr nicht gelungen ist, Schrempf aufzuhalten. Berger schickt die Sekretärin hinaus und bietet dem Gentechniker einen Stuhl an. Schrempf setzt sich, Schweiß steht auf seiner Stirn, sein ansonsten ausdrucksloses Gesicht zeigt den Anflug eines Lächelns. Berger erinnert sich nicht mehr genau an die Details des Gesprächs, aus Schrempf ist es nur so herausgesprudelt. Von einem fehlgeschlagenen Experiment ist die Rede, von vertauschten Proben, falsch beschrifteten Petrischalen. Nach weitschweifigen, für den Gentechnik-Laien Berger nur teilweise verständlichen Ausführungen, kommt Schrempf auf den Punkt: Er hat, im Labor, eine Rose gezüchtet, die bis zu siebzig Prozent mehr Öl speichern kann als eine gewöhnliche Rose, und darüber hinaus sind die Membrane der Speicherzellen auch noch um ein Vielfaches durchlässiger, was das Auslösen des Öls in

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