Kolibri
der Zentrifuge erleichtert. Berger erkennt die finanziellen Implikationen dieser Entdeckung sofort: Rosenöl ist einer der teuersten Rohstoffe für Naturkosmetik, er kostet rund zehnmal soviel wie dessen synthetische Variante. Ein Mehr an gespeichertem Ãl in den Pflanzen und ein leichteres Auslösen dieses Ãls bedeuten, prägnant gesagt, einen enormen Profit. Allerdings gibt es ein Problem oder eigentlichderen zwei. Zum einen ist die gentechnisch veränderte Rose durch das Zentrifugieren zerstört worden und somit als Quelle für weitere Sprösslinge nicht mehr zu gebrauchen, zum anderen müsste man, damit das Ganze gründlich erforscht werden kann, eine Vielzahl von gentechnisch veränderten Rosen, oder, wie Schrempf sich ausdrückt, GVOs, gentechnisch veränderten Organismen, züchten, diese wachsen lassen und anschlieÃend unter kontrollierten Laborbedingungen auf ihre Ãlspeicherkapazität prüfen. Um es kurz zu machen: GVOs ohne Freisetzungsantrag freizusetzen, ist illegal. Und eine Firma, die in Sachen Naturkosmetik unterwegs ist, kann keinen Freisetzungsantrag, der öffentlich gemacht werden muss, beantragen, ohne ihr Image zu zerstören.
SchlieÃlich, nach gründlichem Nachdenken, entscheidet sich Berger für eine zweigleisige Strategie. Er beauftragt Schrempf mit der Herstellung einer weiteren Rose, die das Gen, das für die vergröÃerte Ãlspeicherkapazität verantwortlich ist, enthält, und entwickelt für den Fall, dass Schrempf erfolgreich ist, einen Plan, wie er deren Potential nutzen kann, ohne dem Image seiner Firma zu schaden.
Zu Beginn gibt es Rückschläge. Da Schrempf nicht mehr genau weiÃ, was bei dem Experiment schiefgelaufen ist, muss er schlicht und einfach herumprobieren, bis ihm der selbe Fehler zufällig noch einmal passiert. Und das dauert. SchlieÃlich hat er herausgefunden, welches Gen von welcher Pflanze er der Rose einsetzen muss, um diese zu befähigen, mehr Ãl zu speichern. Jetzt geht es darum, die Rose wachsen zu lassen und zu hoffen, dass dieses spezielle Gen in der Rose exprimiert wird. Zweihundertdrei Versuche scheitern, beim zweihundertvierten gelingt es. Die Blume, die er später Rose Nummer eins taufen wird â nicht weil sie die erste ihrer Art ist, sondern weil sie ihn zur Nummer eins machen wird â, trägt das neue Gen in sich, Schrempf zieht von dieser Rose Sprösslinge und lässt sie in einem nicht zugänglichen Bereich der Fabrik auf einem Nährmedium wachsen. Das ist zwar auch illegal, aber was sollâs, niemand erfährt etwas davon und da unten, in den Hallen, ist Pollenflug ausgeschlossen,das Gen kann also nicht in die Natur gelangen. Die Blumen wachsen und gedeihen in den Katakomben der Fabrik, erste Tests finden statt. Die Ergebnisse sind überwältigend. Der Horizont an Bergers Zukunft schimmert goldfarben.
Und dann taucht Karl Michael Baumgartner auf und gefährdet mit seiner unüberlegten Aktion alles.
Berger seufzte. Er hätte gleich das Labor sperren und den Abzug reparieren lassen sollen, dann wäre das alles nicht passiert. Baumgartner hätte seinen Versuch in einem anderen Labor durchgeführt, der funktionierende Abzug hätte das in die Luft verteilte Ãl abgesaugt, Fall erledigt. Nur, so war es nicht gekommen, leider. Der Abzug ist defekt, Baumgartner bekommt eine Allergie, wittert eine Verschwörung, Berger weist Schrempf an, die Rosensträucher zu verbrennen, und jetzt muss er, Berger, froh sein, wenn er mit angesengtem Pelz aus dieser Affäre herauskommt. Wegen der Rose Nummer eins macht er sich keine Sorgen, die sieht genauso aus wie alle anderen Rosen auf der Welt, da würde kein Mensch Verdacht schöpfen. Aber das Ãl, das sie aus den gezüchteten Rosen gewonnen haben und das sich nun in dem bierfassähnlichen Behälter in seinem Büro befindet, deswegen macht er sich Sorgen, und zwar gewaltige. Das Ãl enthält Pollenrückstände und diese lassen Rückschlüsse auf gentechnische Manipulationen zu. Gerät diese Information an die Ãffentlichkeit, dann adieu, Patrick Berger. Niemand würde ihm glauben, dass das Ãl erstens völlig harmlos und zweitens nicht in den Handel gelangt ist. Baumgartners allergische Reaktion nach dem Laborunfall würde das Ãl als gesundheitsgefährdend in Verruf bringen. Die Biogeschäfte würden kein Risiko eingehen und alle Produkte von Amnat
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