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Kolibri

Kolibri

Titel: Kolibri Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Benvenuti
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Koffer, präsentierte den Kameras und somit dem wahrscheinlich, hoffentlich, zusehenden Karl Michael Baumgartner die eine Million Euro in fein säuberlich gebündelten und mit Banderolen versehenen Scheinen, versicherte ihm hier, vor aller Augen, dass sich in dem Koffer keinerlei technische Vorrichtungen befänden, die das Geld unverwendbar machten, schloss den Koffer, stieg die Treppe hinab, wurde von zwei offensichtlich bewaffneten Bodyguards empfangen, die ihn, den Bürgermeister und die aus der Menge aufgetauchten Dolores Hightower und Qualtinger zu einer schwarzen Limousine eskortierten, in die sie alle einstiegen und die sich langsam einen Weg durch die Menschenmassen bahnte. Berger brauchte sich nicht zu fragen, wohin der Wagen unterwegs war. Das ganze Pack würde jetzt zum Zentralfriedhof fahren, das Geld übergeben und damit Bergers Schicksal besiegeln. Außer, ja, außer dieser verfluchte Bernhard Schrempf rief endlich an, um sich Bergers tollen Plan anzuhören und diesen noch rechtzeitig in die Tat umzusetzen.
    Berger erhob sich, warf den leeren Becher in den überquellenden Mistkübel und knöpfte sein Sakko zu.
    â€žWo wollen Sie denn hin?“, fragte der Umweltstadtrat, ohne sich umzudrehen.
    â€žZu meiner Firma“, sagte Berger.
    â€žUm dort was zu tun? Im Weg herumstehen?“
    Im Notfall schon, dachte Berger, sagte aber nichts. Vielleicht schaffte er es, den Ölbehälter aus der Gefahrenzone, sprich, der Aufmerksamkeit der Umweltschutzgruppen, zu schaffen. Er hatte keine Chance, und die musste er nutzen. Als er bei seinem BMW angelangt war und eben die Tür öffnen wollte, piepste sein Handy.
    â€žJa?“
    â€žIch bin’s“, sagte eine raue Stimme, „Bernhard Schrempf. Sie haben einen Plan?“
    Mit einem sanften Ruck blieb der Aufzug stehen. Nach einer halben Sekunde öffnete sich die Tür, Maria trat hinaus in den Gang, gefolgt von Karl, der nach wie vor den fassähnlichen Behälter hinter sich herzerrte.
    â€žIch versteh immer noch nicht, warum ich mir nicht einfach einen Sessel aus dem Büro mitnehmen hab können“, sagte Karl. Schwitzend und keuchend rollte er den Behälter den betonierten Gang entlang Richtung Produktionshalle.
    Maria drehte sich um und sagte, in einem Tonfall, der verriet, dass sie dieses Argument in den letzten paar Minuten schon mehr als einmal vorgebracht hatte: „Ich mach einen Film, eine Doku, da brauch ich Atmosphäre, Details, und ein Pflanzenphysiologe, der auf einem Ölfass hockt, schaut eben authentischer aus als einer, der auf einem Sessel sitzt.“
    Nachdem sie in Patrick Bergers Büro die Verlautbarung des Bürgermeisters bezüglich der Million Euro im Fernsehen verfolgt hatten, hatten Karl und Maria darüber diskutiert, ob sie dort, im Büro, auf die Delegation warten oder doch lieber hinunter in die Produktionshalle gehen sollten, um sie in einer etwas offeneren, weniger privaten Umgebung zu empfangen. Nach kurzer Beratschlagung hatten sie sich einstimmig für die Halle entschieden.
    â€žIch kann nicht mehr“, stöhnte Karl, stellte den Behälter mitten im Raum auf den Boden und ließ sich schweratmend darauf nieder. Maria unterdrückte ein spöttisches Grinsen, holte ihre Digicam aus ihrer Handtasche und fing an, an den diversen Knöpfen und Reglern herumzuhantieren.
    Nachdem er wieder ein wenig zu Atem gekommen war, schaute sich Karl in der Halle um. Jetzt, im gnadenlosen Licht des frühen Morgens, war von der poetischen Atmosphäre der Nacht nicht mehr viel geblieben. Die Förderbänder, die Gabelstapler, die Paletten, alles wirkte prosaisch, nüchtern, kalt beinahe. Die erst wenige Stunden zurückliegenden Ereignisse der vergangenen Nacht waren nur noch eine schnell verblassende Erinnerung. Hier war Maria mit freudestrahlendem Gesicht mit dem Rad des Vorarbeiters Rießer herumgefahren? Karl schüttelte verblüfft den Kopf. Die Szene schien in einem anderen Leben stattgefunden zu haben.
    Seufzend starrte er auf die schmalen, blutverkrusteten Schnitte in seinen Fußsohlen. Er spürte, wie seine Kräfte nachließen, wie die Erschöpfung ihn langsam einholte, wie der Wille, noch länger durchzuhalten, schwand. Er wünschte, diese Sache wäre endlich zu Ende. Er biss die Zähne zusammen und schloss die Augen. Fast geschafft.
    Zufrieden klappte Patrick Berger seinen Nokia Communicator zusammen und ließ

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