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Kolibri

Kolibri

Titel: Kolibri Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Benvenuti
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Ramsch angefüllt waren, die türkischen Supermärkte, in denen es ein riesiges Sortiment von klebrigen Schokoriegeln in knalligen Verpackungen gab, die vierundzwanzig Stunden geöffnete Bäckerei am Yppenplatz, wo er in den frühen Morgenstunden, auf dem Heimweg vom
Rhiz
, oft Pohaças, mit Käse gefüllte Brötchen, von völlig übernächtigten Männern gekauft hatte.
    Er strich mit der flachen Hand über den Boden und berührte einige Steinchen, die er aufsammelte. Während er eines nach dem anderen in den dunklen Wellen verschwinden ließ, stahl sich ein Lächeln auf sein Gesicht. Daniel in seiner Naivität glaubte, er, Karl, sei aus Wien geflohen, weil Maria ihn nicht mehr geliebt hatte. Falsch, ganz falsch. Richtig, Wien hatte ihn angekotzt und das Forschungsstipendium war einfach zu verlockend gewesen, um es auszuschlagen, aber das war nicht der Grund gewesen zu gehen. Nein, Karl war eines Tages neben Maria aufgewacht und hatte nicht mehr gewusst, ob er sie noch liebte oder nicht. Maria, mit ihrem kurzen schwarzen Haar, ihrem prächtigen breiten Arsch und dem sexy Muttermal über dem Mund. Bei ihrem Anblick hatte er kein Feuer mehr gespürt in seinem Herzen. Deshalb war er gegangen. Als er Anfang des Jahres zurück nach Wien gekommen war, hatte er des Öfterenversucht, sie telefonisch zu erreichen, ohne Erfolg. Kein Anschluss unter dieser Nummer. Er hatte seine Diplomarbeit abgegeben, die Prüfung erfolgreich abgelegt, sich um einem Job beworben und die ganze Zeit über das Gefühl gehabt, in einem Vakuum zu leben. Dieses Gefühl hatte er immer noch.
    Er warf das letzte Steinchen ins Wasser, stand auf und klopfte sich den Dreck von der Hose. Während er sein Fahrrad langsam nach Hause schob, kratzte er sich am Hals. Die Haut hatte wieder zu jucken begonnen und in seiner Kehle spürte er ein leichtes Brennen. Er fragte sich, wie es Maria inzwischen ergangen war.

SECHS
    Maria Eichinger rieb sich geistesabwesend die blasse Narbe über ihrem Mund und fächelte sich mit einer Infoillustrierten Luft zu. Sie schätzte, dass es im Büro so um die vierzig Grad hatte. Ihr Leinenjackett hing schon seit einer halben Stunde über der Lehne des Stahlrohrstuhles, auf dem ihr in einem engen Rock gefangener Hintern auf einer Pfütze aus Schweiß schwamm. Ihre braunen Tod’s lagen unter dem Tisch wie zwei gezähmte Eichhörnchen.
    â€žGut“, sagte Alfred Distel, der Chef vom Dienst, und blickte in die Runde. „Gibt es zu den Nachrichten-Headlines noch irgendwelche Fragen?“ Distel trug trotz der Hitze ein bis zum Hals zugeknöpftes hellblaues Hemd, eine dunkelblaue Krawatte, die das schwammige Fleisch seines Halses zu packen schien, und ein schwarzes Sakko aus einem schweren, mattglänzenden Stoff. Sein Haar war zurückgekämmt und lag auf seinem Schädel wie Lack auf dem Kotflügel eines Wagens. Der Ring an seiner linken Hand fing die Sonnenstrahlen ein und warf sie an die Wand, wo sie in stechende kleine Blitze zerfielen.
    â€žKann ich das Fenster aufmachen?“, fragte Maria und wischte sichSchweiß von der Stirn, den sie an eine blondhaarige Schönheit auf dem Titelblatt des Hochglanzmagazins weiterreichte.
    Distel schüttelte energisch den Kopf. „Sie wissen doch, dass ich allergisch bin. Die Pollen würden mich umbringen.“
    Ein Grund mehr, das Fenster zu öffnen, dachte Maria, sagte aber nichts. Rechts von ihr saß Isabella Krause, die für die Innenpolitik zuständige Nachrichtenredakteurin. Sie hatte früher bei einem deutschen Privatsender gearbeitet, ehe sie in Australien, wo sie ihren Urlaub verbracht hatte, einen Österreicher kennen gelernt, diesen geheiratet und sich mit ihm in Wien niedergelassen hatte. Nach der Scheidung war sie hier geblieben. Ihre Sprache war eine seltsame Mischung aus Hochdeutsch und urwienerischen Ausdrücken, was dazu führte, dass jeder Text, den sie dem Chefredakteur vorsetzte, mit diversen Anmerkungen versehen zurückkam. Maria mochte sie. Isabella war kompetent, konnte im Notfall auch eine Kamera bedienen und war ungeschlagene Meisterin im Lesen von APA-Meldungen. Es hieß, sie könne den Inhalt von sechzig Zeilen in zwanzig Sekunden erfassen und in einer halben Minute auf eine Hand voll vierzeilige Meldungen zusammenkürzen.
    â€žAlso, ich bin ebenfalls dafür, dass diese depperten Fenster endlich mal geöffnet werden“,

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