Kolibri
hatte, um herauszufinden, wie viel Schmerz sie aushielt (sehr viel), und fragte sich, wie sie es einerseits verhindern konnte, dass Paulus der Penner seinen Interviewtermin mit Hermann Maier wahrnahm und wie sie es andererseits schaffte, genau dieses Interview zu ergattern. Sie trug rote Flipflops, ein dunkelblaues Che-Guevara-T-Shirt und etwas zu enge Jeans, an denen sie sich jetzt das Handgelenk abwischte, während sie aus dem Opel-Kombi nach drauÃen, auf die Obere DonaustraÃe, starrte.
Links von ihr, auf dem Fahrersitz, hockte Alfons Bayer, der Kameramann, und schob sich alle paar Sekunden die Sonnenbrille nach oben. Von der Rückbank war das gedämpfte Scheppern von Techno zu hören, der aus den Kopfhörern des Ton-Assi, der auch für das Licht zuständig war und einfach nur Joe hieÃ, drang.
Während sie ihre Handtasche nach dem Mobiltelefon durchsuchte, fragte sie sich, ob Fritz Drechsler sie heute, wie versprochen, anrufen würde, oder ob er bloà einer dieser Männer war, die auf einen schnellen Fick aus waren und bei einem Nein sofort zur Nächsteneilten. Sie rief in der Redaktion an und erkundigte sich bei der Volontärin, ob die Pressekarten für das
Svelte-Mincer
-Konzert, die Maria vorgestern angefordert hatte, schon gekommen waren, und die Volontärin lieà sie ungefähr eine Minute warten und meinte dann mit gelangweilter Stimme, die Karten seien auf ihren Namen reserviert und würden bei der Kassa aufliegen. Maria unterbrach die Verbindung und machte mit der Linken eine Faust, die sie in einer Geste des Triumphes Richtung Wagenhimmel streckte.
Svelte Mincer
war ihre Lieblingsband und das einzige Ãsterreichkonzert seit Monaten ausverkauft, aber Maria würde heute Abend dabei sein und mitgröhlen und mit ein bisschen Glück würde Fritz Drechsler neben ihr stehen.
Nervös warf sie einen Blick auf die Anzeige des Handys. Es war kurz vor halb drei und Hermann Maier legte angeblich Wert auf Pünktlichkeit. Und Maria hatte noch immer keinen Plan.
Bayer bog links ab und fuhr parallel zum Schottenring Richtung Uni. Er kramte eine CD aus dem Handschuhfach und schob sie in den Player. Debilen-Klassik vermüllte das Wageninnere, aber Bayer war gegen jegliche Kritik immun. Einmal hatte er Maria gefragt, warum ihr diese Art Musik,
Helmut Lotti goes Classic
lief gerade, nicht gefalle, und Maria hatte gemeint, die einzige Helmut-Lotti-CD, die sie sich freiwillig anhören würde, wäre
Helmut Lotti goes Home
. Seit dem Tag hatte es Bayer nie mehr gewagt, mit Maria über Musik zu reden.
Maria versuchte gerade, unauffällig die Hände auf die Ohren zu legen, als sie vom Verkehrsfunk, der die Musik unterbrach, gerettet wurde. Eine Nachrichtensprecherin warnte mit hektischer Stimme vor einem bewaffneten Räuber, der eine BILLA-Filiale überfallen hatte und mit einem Motorrad geflüchtet war. Sachdienliche Hinweise an die nächste Polizeidienststelle und so weiter.
âWär dir so was nicht lieber, als einen dämlichen Sportler zu interviewen?â, fragte Bayer und schob sich die Sonnenbrille auf den Nasenrücken.
Maria schüttelte den Kopf und fächelte sich mit der flachen HandLuft zu. âEin Supermarkträuber? Das ist doch Kleinkram. AuÃerdem glaub ich nicht, dass Hermann Maier dämlich ist.â
Bayers Lippen teilten sich zu einem schmierigen Grinsen. âVerliebt?â, fragte er und zwinkerte anzüglich.
âSchuldigâ, sagte Maria und warf einen neuerlichen Blick auf ihr Handy. Es war vier Minuten vor halb drei.
Bayer nickte gewichtig und bog links ab. Er fuhr Schritttempo und hielt Ausschau nach einem Parkplatz, den er neben einem Würstelstand fand.
Sie stiegen aus. Maria beugte sich vor, starrte in die reflektierende Seitenscheibe und fummelte ein wenig an ihren Haaren herum, die schweiÃfeucht waren. Die Hitze war ein Hammer.
Joe klopfte ihr auf die Schulter. âNa, schon ein bisschen nervös?â, fragte er und schlang sich den Riemen der Tasche mit dem Mischpult über die Schulter.
âEin bisschen schon, jaâ, sagte Maria und ging vor Richtung Schottenring, direkt auf das
Hotel de France
zu. Joe folgte ihr. âWie gehtâs deinem Freund?â, fragte Maria.
Joe strich sich die Dreadlocks aus der Stirn und lächelte müde. âIch glaube, er betrügt mich.â
âDer Hundâ, sagte Maria.
Joes Lächeln wurde strahlender.
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