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Kolibri

Kolibri

Titel: Kolibri Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Benvenuti
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Ostmarkgasse, in der sie wohne, nicht, und Maria hatte nur gelacht und war weitergefahren. Im Wien des einundzwanzigsten Jahrhunderts gab es doch keine Ostmarkgasse mehr, oder?
    Als sie rechts abgebogen war, Richtung Friedhof, hatte ihr Handy geläutet und Distel hatte ihr mitgeteilt, dass Kameramann und Ton-Assi schon vor Ort seien und nur noch auf sie, Maria, warteten. Maria hatte geknurrt, sie fahre, so schnell sie könne, hatte das Gespräch beendet und das Letzte aus ihrem zwölf Jahre alten Golf herausgeholt, der nur noch von den knallroten Schonbezügen und der Drohung vor der Schrottpresse zusammengehalten wurde. Schließlich hatte sie den Platz vor dem Haupttor des Zentralfriedhofs erreicht, den Wagen irgendwo am Straßenrand stehen gelassen, hatte sich ihre Handtasche geschnappt, tief Luft geholt und die Augen geschlossen.
    Jetzt, die Augen offen, bahnte sie sich einen Weg durch Spaliere von Polizisten in diversen Uniformen, zückte ab und zu ihren Presseausweis und hielt Ausschau nach ihren Kollegen. Sie fand sie am vorderen Rand des Platzes, direkt neben der Straße. Altmodische Laternen aus grauem, verwittertem Metall, die ein ungesund wirkendes Licht verteilten, sprossen aus dem Gehsteig, neben einem kleinen Wartehäuschen für die Tramgäste, weiter hinten, befand sich ein grüngestrichener Würstelstand, der geschlossen war, und daneben ein zweistöckiger grauer Würfel, von dem aus anscheinend der Straßenbahnverkehr koordiniert wurde und vor dessen Fenster weiße Schilder mit den Nummern der einsatzbereiten Tramgarnituren hingen. Alfons Bayer baute gerade das Stativ für seine Kamera auf, während Joe, die Kopfhörer im Ohr, sanft vor und zurück wippte. Das Spektakel um ihm herum schien ihn nicht zu berühren, er wirkte eins mit sich und der Welt.
    â€žWie geht’s?“, fragte Maria und tippte Bayer auf Schulter.
    â€žBeschissen“, sagte Bayer und fixierte die Teleskopbeine des Stativs. „Ich wollte mir die Zusammenfassung der WM-Spiele anschauen, ganz gemütlich, Fenster offen, Bier in der Hand, und statt dessen steh ich hier neben einer Straße, bei fünfunddreißig Grad, und warte drauf, dass sich irgendein Spinner samt Chemiefabrik in die Luft sprengt.“
    â€žSie hätten jemand anderen zum Filmen schicken können“, sagte Maria und überlegte, ob Bayer rauchte.
    Bayer stieß ein freudloses Lachen aus und wuchtete die Kamera hoch. „Wen denn?“, fragte er und ließ die Platte auf der Oberseite des Stativs in der Vertiefung im Kameraboden einrasten. „Den da?“ Er deutete mit dem Kinn zu Joe, der mit halboffenen Augen in die Abenddämmerung grinste.
    Maria biss sich auf die Unterlippe, dann sagte sie: „Hast du eine Zigarette?“
    â€žIch rauch nicht“, sagte Bayer. „Ich kann dir höchstens einen Kaugummi anbieten.“ Er kramte in den zahlreichen Taschen seiner Weste herum und förderte eine grellbunte Packung zutage, die er Maria hinstreckte.
    â€žApfel-Zimt? Danke, mir ist schon schlecht.“
    Bayer zuckte mit den Schultern, schob sich einen Kaugummi in den Mund und verstaute die Packung wieder in einer der Taschen.
    â€žWas genau ist hier eigentlich los?“, fragte Maria und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Es war fast zehn am Abend und immer noch unglaublich heiß. Die Hitze strahlte in flimmernden Wellen vom Asphalt hoch und legte sich in einer dünnen Schicht über alles.
    â€žWie ich gesagt habe“, sagte Bayer und überprüfte die Linse der Kamera. „Ein Spinner hat sich in der Fabrik verschanzt und angeblich gedroht, sie in die Luft zu sprengen.“
    â€žWas für ein Spinner?“, fragte Maria und kramte ihr schickes, schwarzgebundenes Moleskine aus der Handtasche, das sie für ein Schweinegeld bei Sax&Co in der Neubaugasse gekauft hatte. Bruce Chatwin hatte so eins gehabt, deshalb hatte sie auch so eins haben müssen.
    Bayer zuckte mit den Schultern. „Keine Ahnung“, sagte er. „Distel weiß im Moment auch nichts Genaues. Vielleicht ein ehemaliger Angestellter, der sauer ist oder so.“
    â€žNamen?“
    Bayer schüttelte ungeduldig den Kopf. „Ich bin hier nur der Kameramann. Wenn du Infos willst, dann wend dich an die da.“ Er deutete mit der Hand auf die Polizisten, die in Grüppchen um sie herumstanden. Die meisten sprachen in Funkgeräte oder Handys.
    â€žMach

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