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Kolibri

Kolibri

Titel: Kolibri Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Benvenuti
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„Erich.“
    Drechsler tippte ihr auf die Schulter und deutete nach vor zur Straße, wo eben drei Transporter der Polizei über das auf den Boden gedrückte Trassenband fuhren und ihre Fracht kurz darauf ausspuckten.
    Maria, die schnell zählte, sagte erstaunt: „Wie viele sind das? Dreißig?“
    Widmaier nickte. „Keine Sorge, das werden noch mehr.“
    â€žNoch mehr?“
    â€žViel mehr“, sagte Drechsler und deutete auf ein Grüppchen Polizisten, das sich ein wenig abseits hielt. „Siehst du die dort drüben, die in den schwarzen Overalls und den roten Baretten?“ Maria nickte. „Die sind von der WEGA.“
    Maria spürte, wie sie ein Kribbeln durchlief. Das hier versprach definitiv, eine heiße Story zu werden.
    â€žIch dachte, die WEGA sei nur für Geiselnahmen, Terrorismus und so Zeug zuständig.“
    â€žDas hier fällt unter
so Zeug
“, sagte Widmaier.
    â€žUnd die anderen?“, fragte Maria und ließ ihren Blick über die Polizisten beiderlei Geschlechts wandern, die sich in ihren graugrünen Overalls und schwarzen Baretten in der nächtlichen Hitze unwohl zu fühlen schienen.
    â€žDas sind normale Bullen. Die passen auf, dass niemand die Bombe fladert und sie an Gaddafi verkauft.“
    Maria lachte. Ihr Verlangen nach einer Zigarette war verschwunden, der Restalkohol in ihrem Blut war quasi verdunstet, eine andere, stärkere Regung hatte von ihr Besitz ergriffen: Jagdfieber. Richtig angepackt, war das hier ihre große Chance: für immer weg vom Showbiz, und das, ohne je Nachrichten geklopft zu haben. Wer weiß, dachte sie, vielleicht habe ich Glück und lande bei einem der großen deutschen Privatsender. Aber damit es dazu kam, musste sie bei dieser Story dranbleiben, nein, musste dies hier überhaupt erst eine Story
werden
.
    Mit vor Aufregung zitternder Stimme fragte sie: „Diese Typen von der WEGA?“
    â€žJa?“, sagte Drechsler, dem nicht entgangen war, dass Maria sich ungeduldig durchs Haar fuhr, Haar, das er am liebsten gestreichelt hätte, jetzt, hier, auf der Stelle.
    â€žAngenommen, der Unbekannte ergibt sich nicht und droht, die Bombe zu zünden, was würde die WEGA dann tun?“
    Drechsler zuckte mit den Schultern. „Das, wozu sie hier sind.“
    â€žNämlich?“
    â€žSie würden die Fabrik stürmen.“
    Maria ballte kurz die Faust, ehe sie sich von Drechsler und Widmaier mit der Erklärung verabschiedete, dass sie nachschauen müsse, wie weit ihr Kameramann sei.
    â€žTolle Frau“, sagte Widmaier, der ihr hinterherblickte.
    Drechsler, der ein ungutes Gefühl im Magen hatte, brummte etwas Unverständliches.
    â€žWarum hast du ihr dein Geschenk nicht gegeben? Die Kette?“
    Drechsler beobachtete sie, wie sie dort stand, flankiert von einem älteren Typen, offensichtlich der Kameramann, und einem Jungspund mit Dreadlocks und Anweisungen gab. Drechsler seufzte bei diesem Anblick und seine Finger verkrallten sich in die Holzblüten in seiner Hosentasche. Wie energiegeladen sie wirkte, wie selbstsicher, sie wirkte so verdammt souverän, unnahbar beinahe in ihrer dunklen Kompaktheit, und in diesem Moment wusste Drechsler genau, warum er ihr die Kette nicht gegeben hatte; er hatte Angst, sie könnte ihr nicht gefallen, und er war sich nicht sicher, ob sein Herz das überlebte.
    Plötzlich flammte ein Scheinwerfer auf und stanzte ein helles Loch in die Fassade der Fabrik, genau auf Höhe der Terrasse. Widmaiers massige Hand, die auf seine Schulter prallte wie ein kleiner Felsen, riss Drechsler aus seinen betrüblichen Gedanken.
    â€žWas ist los?“, fragte er.
    Widmaier deutete hinüber zur Fabrik, wo eben ein junger Mann, der nur mit einem T-Shirt und einer Trainingshose bekleidet war, auf die Terrasse trat und anfing zu brüllen.
    Ich bin besoffen, dachte Karl Michael Baumgartner, als er an den Rand der Terrasse trat und all die Bullen sah, die da unten, auf der anderen Straßenseite, standen und zu ihm heraufglotzten. Dieser verfluchte Rum, daran musste es liegen. Er betastete seinen Kopf und hatte das Gefühl, jemand rühre ihm mit einem scharfkantigen Kochlöffel das Gehirn um. Für einen Moment schloss er die Augen in der Hoffnung, dieses Meer von Polizisten, die anscheinend alle etwas von ihm, Karl Michael Baumgartner, wollten, würde verschwunden sein, wenn er sie wieder öffnete; allein,

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