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Kolibri

Kolibri

Titel: Kolibri Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Benvenuti
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hundertfünfzig von denen, wenn nicht mehr. Er konnte zwei Fernsehkameras ausmachen, die auf ihn gerichtet waren, diverse Scheinwerfer schleuderten ihr grelles Lichtin seine Richtung, Truppentransporter der Polizei hockten im Hintergrund wie auf Beute lauernde Raubtiere.
Was wollen die von mir?
    â€žErgeben Sie sich und zünden Sie um Himmels willen nicht die Bombe!“
    Karl blieb die Luft weg. Bombe? Von was für einer Bombe redete der Typ da unten mit dem Megaphon? Er griff sich an die Brust, die plötzlich von straff gespannten Eisenbändern umschlossen schien, und einen kurzen, panischen Moment lang hatte er das grausliche Gefühl, ersticken zu müssen, dann ließ der Druck auf der Brust nach und die Luft strömte wieder in seine Lungen.
    Er beugte sich über das Geländer, so weit es ging, und brüllte: „Hört zu, ihr Arschlöcher, ich habe keine Bombe, habt ihr das verstanden?“ Er überlegte kurz, dann fügte er hinzu: „Hier handelt es sich offensichtlich um ein Missverständnis. Noch einmal, ich habe keine Bombe!“
    Zufrieden und erschöpft ließ er sich nach hinten sinken, die Finger in das Geländer gekrallt. So weit, so gut, dachte er, das wär erst mal geklärt. Den Rest konnten sich die Bullen untereinander ausmachen, was sie offensichtlich auch taten, denn Karl sah, wie sich mehrere Beamte in schwarzen Overalls und roten Baretten aufgeregt miteinander unterhielten.
    Auf dem Weg zurück ins Büro, die Kopfschmerzen hatten wieder an Intensität zugenommen, fragte sich Karl, wie die Bullen auf die dämliche Idee kamen, dass er, Karl Michael Baumgartner, dreißig Jahre alt, Pflanzenphysiologe, sich mit einer Bombe in der Fabrik seines Arbeitgebers verschanzt hatte. Ein Fehler in der Kommunikationskette? Eine Zeitungsente, die, von der gestrigen Zerstörung der Zentrifuge ausgehend, sich zu einem grotesken Selbstläufer entwickelt hatte? Nun, er würde es bald herausfinden, da er nämlich vorhatte runterzumarschieren, blutige Fußsohlen hin oder her, und dem Schwachkopf, der für diesen ganzen Schlamassel hier verantwortlich war, gehörig die Leviten zu lesen. Er zündete sich eine von Bergers Pall Malls an, als kleine Stärkung für den Weg nach unten, und versuchte, den Scherben, die auf dem Teppich vor demSofa bedrohlich funkelten, auszuweichen. Plötzlich packte ihn ein Hustenanfall, ihm wurde schwarz vor Augen und er machte ein paar stolpernde Schritte vorwärts. Dabei rutschte sein schweißnasser Fuß zur Seite und während er noch versuchte, sich an der Sofalehne abzustützen, spürte Baumgartner, wie auch sein anderer Fuß zur Seite glitt, und er machte eine wenig grazile Pirouette, verharrte kurz in der Luft und prallte dann mit voller Wucht auf den Boden, wo er reglos liegen blieb.

FÜNFZEHN
    Der Oberleutnant hatte sich mit einer lässig an die Schläfe gehobenen Hand als Qualtinger vorgestellt und gemeint, jeder, der ihn Helmut nenne, könne sich gleich einen Zahnarzttermin ausmachen. Er trug eine gutgebügelte Uniform, auf Hochglanz polierte schwarze Halbschuhe und hatte dunkles, seidigschimmerndes Haar, das Bergers Meinung nach ein wenig zu lang war für einen Verbindungsoffizier der Polizei. Die letzten paar Minuten hatte Qualtinger damit zugebracht, mit vorsichtigen Schritten über den roten Teppich zu gehen und leise in sein Handy zu murmeln. Berger, der vor lauter Anspannung die Fäuste so fest zusammengeballt hatte, dass ihm beinahe die Fingernägel abbrachen, hoffte, Qualtinger würde das Gespräch bald beenden und ihnen endlich mitteilen, was vor und in der Fabrik los war.
    â€žSchlechte Neuigkeiten“, sagte Qualtinger, klappte sein Motorola zu und schob es in die Brusttasche seiner dunklen Uniform. „Ihr Angestellter“, er deutete mit seinem eckigen Kinn in Bergers Richtung, „hat tatsächlich eine Bombe.“
    â€žSind Sie ganz sicher?“, fragte der Bürgermeister, der sich auf einem der beiden mit grünem Filz bespannten Stenotische niedergelassen hatte und jetzt erregt aufsprang.
    Qualtinger nickte. „Mehrere Beamte haben gehört, wie Baumgartner das Wort
Bombe
gerufen hat, außerdem hat er sie als Arschlöcher beschimpft.“
    Berger hob den Zeigefinger und wackelte mit ihm auf und ab. „Sehen Sie“, sagte er und wandte sich an den Umweltstadtrat, der sich hinter das Rednerpult gesetzt hatte und ein

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