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Kolibri

Kolibri

Titel: Kolibri Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Benvenuti
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Gesicht machte, als hätte er etwas Verdorbenes zu Abend gegessen, das jetzt langsam seine Wirkung entfaltete, „Baumgartner ist ein Spinner, ich hab’s Ihnen ja gesagt, aber Sie wollten mir nicht glauben.“
    Der Umweltstadtrat seufzte und kratzte sich an seinem stoppeligen Kinn. Dann hob er den Blick und musterte zuerst Qualtinger, der völlig gelassen schien und kerzengerade neben der Bankreihe aus dunklem Holz stand, fixierte schließlich den Bürgermeister und sagte: „Was machen wir jetzt?“
    Der Bürgermeister zog ein flaches, mattglänzendes Handy aus der Innentasche seines Sakkos, klappte es auf und tippte eine Nummer ein. Nach wenigen Sekunden, als am anderen Ende abgehoben wurde, sagte er: „Wir haben ein Problem. Macht euch fertig für einen Katastropheneinsatz.“
    Vor wenigen Tagen, nein, eigentlich vor wenigen Stunden, war das Leben von Patrick Berger noch vollkommen in Ordnung gewesen. Er hatte ein Ziel gehabt und den festen Vorsatz, dieses Ziel auch zu erreichen. Seine Zukunft war strahlend gewesen, kein Wölkchen, das den Horizont trübte, na ja, außer dieser leidigen Geschichte mit Tatjana, aber auch die hätte er in absehbarer Zeit zu seiner Zufriedenheit erledigt, dessen war er sich sicher. Und dann kam dieser verdammte Karl Michael Baumgartner daher und machte alles kaputt. Zuerst zerstörte er aus Nachlässigkeit Laboreinrichtung im Wert von mehreren zehntausend Euro, dann steigerte er sich in diese Geschichte mit der Rosenölallergie hinein, die potentiell tödlich verlaufen hätte können, und schließlich deponierte er in der Fabrik eine Bombe und drohte, diese zu zünden. Berger war aus dem Gespräch mit Baumgartner zuerst nicht so recht schlau geworden,aber nach und nach war ihm die schreckliche Gewissheit gedämmert: Baumgartner, der sich als Pflanzenphysiologe auch recht gut mit Chemie auskannte, würde angesichts seines Rausschmisses und der Gewissheit, in der Branche keinen Job mehr zu finden, ganz sicher nicht mit leeren Drohungen und leeren Händen zurück in die Fabrik kommen. Nein, um den Triumph komplett zu machen, genügte es Baumgartner nicht, die Fabrik einfach zu sprengen, er musste dies Berger vorher noch mitteilen, musste ihn leiden lassen, so wie er, Patrick Berger, Baumgartner hatte leiden lassen. Musste ihm Angst einjagen. Und das war ihm geglückt.
    Als Berger nach seiner Flucht aus seinem Büro die Treppen hinunter ins Freie gerast war, hatte er seinen unerbittlichen Karatetrainern gedankt, die ihm in zahlreichen qualvollen Stunden zu einer körperlichen Verfassung verholfen hatten, die er jetzt gut gebrauchen konnte. Er sprang in sein Auto, einen dunkelblauen BMW 735, der noch diesen sterilen Plastikduft aller Neuwagen verströmte, den Berger so liebte, und schoss mit quietschenden Reifen vom Parkplatz. Erst als er rund zwei Kilometer zwischen sich und die Fabrik gebracht hatte, schaltete er einen Gang runter, schnallte sich an und griff nach seinem Nokia Communicator, den er in der Aufregung fast vergessen hätte, obwohl er ihn die meiste Zeit in der Hand gehabt hatte. Er fuhr an den Straßenrand, tippte die Nummer der Polizei ein und erklärte einem gelangweilt klingenden Beamten mit hektischer Stimme, dass sich in seiner Fabrik ein Mann mit einer Bombe befinde. Der Beamte, immer noch mit derselben gelangweilten Stimme, stellte ein paar Fragen und erläuterte anschließend das Prozedere bei Bombenfunden, angeblichen oder tatsächlichen. Berger, dem das alles zu langsam ging, hörte nur mit halbem Ohr zu und erfuhr, dass zuerst geprüft werden müsse, ob es überhaupt eine Bombe gab, dazu werde ein sogenanntes SKO … Genau hier unterbrach Berger den Beamten mit einem mit schriller Stimme ausgestoßenen Fluch und schilderte dann eindringlich den Sachverhalt, der sich in einem knappen Satz zusammenfassen ließ: es gab eine Bombe, Punkt. Der Beamte stöhnte auf, sagte abernichts. Berger fragte, wie es nun weiterging, und der Beamte, dessen Stimme plötzlich nicht mehr gelangweilt klang, rasselte ein paar Namen und Institutionen runter, die in so einem Fall zuständig waren, Innenminister, Generaldirektor für öffentliche Sicherheit, Polizeipräsident und, für den Fall, dass ein Katastrophenplan zum Einsatz kam, der Bürgermeister. Berger bedankte sich, vergewisserte sich, dass der Beamte die Adresse der Fabrik richtig notiert hatte, dann

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