Kolibri
verschwunden, in dem sie sich nach wie vor befanden.
âPuhâ, sagte Widmaier und verstaute sein Handy in der Hosentasche.
âMacht sie sich Sorgen?â, fragte Drechsler.
âNatürlich macht sie sich Sorgenâ, sagte Widmaier, âdu kennst doch meine Frauâ, und bei ihm klang das so, als sei er stolz darauf.
âDu könntest heimfahrenâ, sagte Drechsler. âSchlieÃlich bist du nicht im Dienst.â
âUnd dir das ganze Spektakel alleine gönnen? Nichts da. Ich bleib hier.â
Drechsler steckte sich eine Nelkenzigarette in den Mund und rauchte sie in langen, gemächlichen Zügen. Dann sagte er: âWie würdest du vorgehen?â
Widmaier rieb sich das wuchtige Kinn und dachte einen Moment lang nach, ehe er sagte: âIch würd versuchen, so viel wie möglich über den Bombenleger herauszufinden.â
Drechsler nickte.
âWenn ich das Gefühl hätte, es geht ihm nur darum, seinen Standpunkt klar zu machen, würde ich auf Zeit spielen und ein gutes Verhandlungsteam zusammenstellen.â
Wieder nickte Drechsler und nahm noch einen Zug von seiner Zigarette.
âSollte ich allerdings den Eindruck gewinnen, der Bursche könnte es ernst meinen, tja, dann â¦â Er lieà den Satz in der von Stimmengemurmel durchsetzten Nacht verklingen.
âDann würdest du stürmenâ, sagte Drechsler und trat seine Zigarette aus und diesmal nickte Widmaier.
Die nächsten paar Minuten standen sie schweigend da, betrachteten das Geschehen um sie herum und hingen ihren Gedanken nach. SchlieÃlich tippte Widmaier Drechsler auf die Schulter und deutete nach vorne, wo die Fernsehleute sich versammelt hatten. Maria kam auf sie zu und Drechsler konnte trotz der Dunkelheit ihren energischen Gesichtsausdruck erkennen.
âIch hab gehört, es geht bald losâ, sagte sie, als sie bei den beiden Polizisten angekommen war.
âDann weiÃt du mehr als wirâ, sagte Drechsler.
âWir wissen nicht mal, wie der Knabe heiÃtâ, fügte Widmaier hinzu.
Maria zuckte ungeduldig mit den Schultern. âDas weià ich auch nichtâ, log sie. âMein Boss hat versprochen, es rauszufinden, aber bis jetzt hab ich nichts von ihm gehört.â
âDu könntest deine Kollegen fragen.â
âKönnte ich, aber die würden mir nichts sagen.â
Drechsler deutete auf die kleine Digitalkamera, die an einem Riemen von Marias Handgelenk baumelte. âWas hast du damit vor?â
Maria grinste. âIch mach Aufnahmen, was denn sonst?â
âBraucht man dazu nicht gröÃere Kameras?â
Nicht für das, was ich vorhabe, dachte Maria und sagte: âFür die AuÃenaufnahmen, klar, und für später, aber für jetzt ist das Baby hierâ, sie tätschelte die kleine Kamera, âgenau richtig.â
Drechsler biss sich auf die Lippen und sagte nichts, obwohl es eine ganze Menge gegeben hätte, was er Maria hätte sagen wollen. Aber er wusste auch, dass nichts davon etwas genutzt hätte, denn er konnte Maria verstehen. Er entschärfte Bomben, sie jagte Nachrichten hinterher, beide taten sie eben, was sie tun mussten. Statt etwas Dummes zu sagen tat er also etwas anderes, er griff in seine Hosentasche, holte die Kette aus Holzblüten heraus und reichte sie Maria, die sie wortlos entgegennahm, kurz betrachtete und dann ohne Kommentar um den Hals hängte. Sie gab ihm einen Kuss auf den Mund, zwickte ihn in den Hintern, hauchte ihm ein laszives âbis späterâ ins Ohr und verschwand in der Menge. Dann drehte sie sich noch einmal um und rief: âWas bist du eigentlich für ein Sternzeichen?â
âSkorpionâ, rief Drechsler zurück, âwarum?â
âNur soâ, rief Maria, grinste wie eine Heuschrecke und hüpfte davon in die Dunkelheit.
âGlaubst du, die Kette hat ihr gefallen?â, fragte Drechsler schlieÃlich und Widmaier verdrehte bloà die Augen und murmelte etwas davon, wie blöd ein Mensch eigentlich sein könne.
Drechsler legte sich eben eine passende Antwort zurecht, als ein älterer, in einen altmodischen Anzug gekleideter Mann vor die Fernsehkameras trat.
âLehner, Sie Spinner, was, um Gottes willen, tun Sie da?â, sagte Patrick Berger und starrte entgeistert auf den Fernseher, um den sich alle vier Männer im Gemeinderatssitzungssaal gruppiert hatten.
âSie kennen den Herrn?â,
Weitere Kostenlose Bücher