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Kolibri

Kolibri

Titel: Kolibri Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Benvenuti
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fragte Qualtinger mit ausdruckslosem Gesicht, ohne seinen Blick vom Bildschirm zu nehmen.
    Berger nickte. „Lehner, Josef, Doktor. Unser Firmenarzt.“
    Der Umweltstadtrat trank einen Schluck Whiskey-Cola und prostete Berger lachend zu. „Mir scheint, Sie haben ein gutes Händchen bei der Auswahl Ihrer Mitarbeiter.“
    Berger musterte den Umweltstadtrat, ließ seinen Blick eine Extrasekunde auf dem Becher ruhen und sagte dann: „Doktor Lehner hat ein Alkoholproblem und damit ist er offensichtlich nicht der Einzige.“
    Der Umweltstadtrat hob in gespieltem Entsetzen die Arme und setzte ein erschrockenes Gesicht auf, woraufhin der Bürgermeister ihn in die Seite stieß und sagte: „Schon gut, Rudi, reiß dich zusammen.“
    Sie wandten sich alle wieder dem Fernseher zu, wo Lehner gerade sagte, dass der arme Tropf, sprich Baumgartner, bei der Zerstörung der Zentrifuge und der Freisetzung des Öls hätte sterben können.
    â€žWovon redet er?“, fragte Qualtinger und Berger fasste die Ereignisse in der Fabrik zusammen, wobei er besonderes Gewicht auf die Feststellung legte, dass das Rosenöl völlig harmlos sei.
    â€žWenn dieses Öl so harmlos ist, wie Sie sagen“, meinte der Umweltstadtrat, „wie kommt es dann, dass dieser Doktor behauptet, Baumgartner hätte sterben können, hm?“
    Berger tippte mit angewidertem Gesicht gegen den Becher des Umweltstadtrates und sagte: „Deshalb. Der Suff hat sein Gehirn zerstört.“
    Qualtinger hob den Hörer ab und tippte eine Nummer ins Telefon. Während er darauf wartete, dass die Verbindung zustande kam, sagte er, an niemand Bestimmten gewandt: „Das ist nicht gut. Das ist gar nicht gut.“ Dann klemmte er sich den Hörer in der Schulterbeuge fest und diskutierte heftig mit Kalina, dessen Gesicht auf dem Bildschirm des Telefons aufflackerte. Schließlich verschwand das Bild wieder und mit einem resignierten Seufzer legte Qualtinger den Hörer auf die Gabel, ganz vorsichtig, so, als könne er zerbrechen.
    â€žWas ist?“, fragte Berger, der unwillkürlich die Hände zu Fäusten geballt hatte.
    â€žSie stürmen“, sagte Qualtinger leise.
    Na endlich, dachte Berger und gestattete sich ein dünnes Lächeln.

NEUNZEHN
    Zu Beginn seiner Ausbildung beim Entschärfungsdienst hatte der Ausbilder gefragt, wer von den Männern – und Frauen – keine Angst habe. Drei Gruppenmitglieder hatten die Hand gehoben; Fritz Drechsler war eines von ihnen gewesen. Wenn ich diese Frage das nächste Mal stelle, hatte der Ausbilder gesagt, fliegt jeder, der die Hand hebt, raus; wer beim Entschärfen von Bomben keine Angst hat, ist ein Dummkopf, und Dummköpfe haben in meiner Einheit nichts verloren. Beim nächsten Mal hatte Drechsler die Hand unten gelassen, obwohl er nach wie vor keine Angst verspürte. Jetzt, jetzt hatte er Angst.
    Er stand zusammen mit Erich Widmaier ganz weit vorne an der Straße, eingekeilt zwischen unzähligen Uniformierten und Presseleuten, und stellte sich auf die Zehenspitzen, um einen Blick auf Maria zu erhaschen. Seit sich das Gerücht, die WEGA werde die Fabrik stürmen, bestätigt hatte – Drechsler hatte kurz mit Kalina gesprochen, als dieser endlich den unmarkierten Transporter verlassen hatte –, war die Aufregung weiter gestiegen, und wenn er an das dachte, was Maria, seiner Meinung nach, vorhatte zu tun, bekam er ein flaues Gefühl im Magen. Er drehte den Kopf, kniff die Augen zusammen und ließ seinen Blick hinüber zu den Kamerateams schweifen, wo er schließlich Maria ausmachte, die sich mit einem jungen Burschen mit Dreadlocks unterhielt, der ihr auf die Schulter klopfte und sich dann einen Weg durch die Menge bahnte. Wie durch ein geheimes Signal verständigt, schaute sie genau in diesemMoment auf und Drechslers und Marias Blicke schienen sich eine köstliche, unendliche Sekunde lang zu verhaken, dann winkte Maria und Drechsler winkte zurück und ein Polizist schob sich vor sie und verdeckte Drechsler kurz die Sicht auf Maria, und als der Polizist vorbeigegangen war, war von Maria nichts mehr zu sehen. Als hätte sie sich in Luft aufgelöst, dachte Drechsler, als wäre sie mit der samtenen Nacht verschmolzen.
    â€žIch finde immer noch, dass das eine ziemlich dumme Idee ist“, sagte Bayer, während er Maria zuschaute, wie sie ihre Ausrüstung checkte. Kamera, hier. DV-Tapes,

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