Kolibri
mal zurück ist?â
âGanz sicherâ, sagte Simon.
Kalina betrachtete Drechsler, der sich im Sessel zurücklehnte, ein Grinsen im Gesicht, und sagte: âFritz, vielleicht könntest du uns mal erklären, was an der Sache so verdammt komisch ist.â
Das erste, was sie bemerkte, als Maria Eichinger wieder halbwegs klar denken konnte, war, dass sie Schwierigkeiten mit dem Atmen hatte. Und mit dem Sehen auch. Sie lag auf dem Rücken, hustete, ihre Augen tränten wie verrückt und in der linken Schulter verspürte sie einen scharfen, stechenden Schmerz. Ganz ruhig, sagte sie sich, kein Grund zur Panik. Du bekommst kaum Luft, siehst alles durch einen Tränenschleier und deine Schulter fühlt sich an wie das Ãbungsobjekt eines motorisch gestörten Chirurgen, aber ansonsten ist alles in Ordnung. Zumindest lebte sie noch. Das hieÃ, entweder waren die Auswirkungen der Explosion geringer, als sie befürchtete hatte, oder es hatte gar keine Explosion gegeben. Nein,stimmt nicht. Irgendetwas war, definitiv, in die Luft geflogen. Deshalb lag sie hier, am Boden, in der Halle einer Fabrik, die bis unters Dach mit Chemie gefüllt und in den Händen von Karl, ihrem Exfreund, den alle für einen geistesgestörten Bombenleger hielten, war. Wie bin ich nur hierher gekommen, fragte sie sich und gab sich selbst die Antwort. Indem ich, kurz bevor die Bullen aufgebrochen sind, über die StraÃe gegangen bin und nach einer Zutrittsmöglichkeit gesucht habe, die ich auch gefunden habe â¦
⦠und zwar, ohne sich groà anzustrengen. Sie geht die Halle entlang, hält sich immer schön im Dunkeln, die kleine Digicam hängt um ihren Hals, ihre Handtasche mit dem wichtigsten Zubehör baumelt von der Schulter. Ab und zu bleibt sie stehen, lauscht, dreht sich um und schaut, ob die Bullen sie entdeckt haben. Nein, die sind viel zu sehr damit beschäftigt, ihre groÃe Aktion zu planen. Maria schaut auf die Uhr. Seit sie hier ist, sind schätzungsweise zwei Minuten vergangen und sie vermutet, dass sie nicht allzu viel Zeit zur Verfügung hat, ehe die Bullen hier alles absuchen werden. Wenn sie das Interview mit Karl machen will, und machen will sie es unbedingt, muss sie sich beeilen. Erst mal rein in die Fabrik, dann ihren Exfreund suchen, ein paar schnelle Fragen, und dann konnten die Bullen von ihr aus kommen, dann würde sie haben, was sie brauchte. Sie betastet die Kette um ihren Hals, schickt Fritz in Gedanken einen Kuss, macht dann ein paar weitere vorsichtige Schritte und entdeckt schlieÃlich ein offenes Fenster. Nun, eigentlich ist es nur angelehnt. Maria entledigt sich ihrer Sandalen, stellt sich auf die Zehenspitzen und versucht, mit ihren Fingern das Fenster aufzustoÃen, was ihr beim dritten Versuch gelingt; ein Hoch auf ihre langen Arme. Leise schwingt das Fenster nach innen. Maria hievt die Handtasche hoch und lässt sie auf der Innenseite der Halle auf den Boden plumpsen, ehe sie sich, unter beträchtlichen Anstrengungen, an der Kante festhält und hochzieht, so weit, dass sie schlieÃlich mit ihrem Oberkörper, unter dem die kleine Kamera eingeklemmt ist, auf dem Fensterbrett zu liegen kommt. Irgendwie schafft sie es, die Beine über die Kante zu schieben und auf der anderenSeite, im Inneren der Halle, runterzuspringen. Die Kamera prallt dabei gegen die Wand und Maria wird kurz von Panik erfasst, denn was nützt der schönste Plan, wenn die Kamera, mit der sie das Interview aufnehmen will, defekt ist. Sie drückt auf diverse Knöpfe, fummelt an Reglern herum, schaut durch den Sucher, und schlieÃlich, sie weià selbst nicht genau wie, erwacht die Kamera zum Leben, das rote Lämpchen leuchtet auf, alles in Ordnung. Sie schnappt sich ihre Handtasche, geht in der Halle herum, richtet die Digicam mehr oder weniger planlos auf verschiedene, im Dunkeln kaum erkennbare Objekte, Kisten, Säcke, einen Gabelstapler, Unidentifizierbares, das bedrohlich wirkende Schatten wirft. Fröstelnd geht sie weiter und sie fragt sich, ob es wirklich eine gute Idee gewesen ist, heimlich in die Fabrik einzudringen, aber sie wischt den Gedanken zur Seite, jetzt bin ich hier, also mach was draus, sagt sie sich. Vielleicht entdecke ich ja die Bombe und Karl sitzt gleich daneben und ist unglaublich gesprächig und eloquent und schafft es, in wenigen Minuten eine herzzerreiÃende Geschichte zu erzählen, in der von einer schwierigen
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