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Kolibri

Kolibri

Titel: Kolibri Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Benvenuti
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Kindheit über eine unglückliche Jugend bis zu einem verpfuschten Erwachsenenleben alles drin ist, was man so braucht, um gut anzukommen, und bei der Vorstellung lächelt sie und dieses Lächeln wird weggewischt von einem lauten Poltern, Stahl, der gegen Beton schlägt, und jetzt wird es ernst, die Bullen sind hier und wenn sie sie entdecken … Zu spät. Einer der WEGA-Beamten hat sie gesehen, oder, wie ihr gerade einfällt, hat er zuerst das Lämpchen der Kamera gesehen, egal, jedenfalls rennt er auf sie zu und brüllt etwas, das sie nicht versteht, und hinter ihm kommen noch mehr WEGA-Beamte angerannt, furchterregend schauen sie aus in ihren schwarzen Kampfanzügen, Gesichtsmasken, metallfunkelnden Schienbeinschützern, dunklen Westen, von denen chromblitzendes Zeug baumelt. Der Beamte packt sie und Maria versucht sich loszureißen, obwohl sie weiß, dass das dumm ist, sie wurde entdeckt, das Spiel ist aus, so lauten die Regeln, und sie will sich gerade widerstandslos abführen lassen, als die Kette, die Fritz ihr geschenkt hat, von ihrem Hals gleitet und zu Boden fällt. Sie will stehenbleiben und sie aufheben, aber der WEGA-Mann ist gnadenlos und wesentlich stärker als sie, er zerrt sie mit sich und Maria fängt an, um sich zu treten und zu schlagen und irgendwie schafft sie es, sich loszureißen, und sie rennt zurück zu der Stelle, an der sie die Kette verloren hat, nur, es ist dunkel, sie sieht nichts und der WEGA-Beamte ist wieder bei ihr und versucht sie hochzureißen, und sie verkrallt sich in seiner Weste und ihre Finger gleiten über einen glatten metallischen Zylinder, der ungefähr die Dimensionen einer Dose Haarspray hat, und plötzlich fällt der Zylinder zu Boden und dann … Chaos. Die WEGA-Beamten brüllen durcheinander, einer der Männer versucht, den Zylinder, aus dem Gasschwaden quellen, zur Seite zu treten, er rollt über den Boden und bleibt an der Wand liegen, unterhalb eines in den Beton eingelassenen Kastens, und während sie noch versucht aufzustehen, merkt sie, dass sie kaum noch Luft bekommt und ihre Augen tränen. Und noch etwas merkt sie. Sie ist allein. Die Beamten der WEGA haben die Halle verlassen.
    Hustend und keuchend lag sie am Boden, sie fühlte sich elend und hätte am liebsten sterben mögen und wenn schon nicht sterben, dann zumindest kotzen und anschließend von Fritz Drechsler in den Arm genommen werden, und plötzlich hörte sie eine Stimme, die vertraut klang, eine Stimme, die etwas auf Spanisch zu ihr sagte, und als sie den Kopf hob, sah sie Karl Michael Baumgartner, der ihr mit grinsendem Gesicht die Hand hinstreckte.

EINUNDZWANZIG
    Gebückt und mit vorsichtigen Schritten ging Bernhard Schrempf den schmalen Betonsteg entlang, der den Abwasserkanal säumte, in dem sich stinkende Fluten, die im Licht der Taschenlampe uringelb aufleuchteten, an ihm vorbeiwälzten. Er versuchte, flach und durchden Mund zu atmen, was ihm nicht so recht gelang, dafür war er einfach zu aufgeregt. Wenn, wie jetzt, ein dunkler Schatten den Strahl seiner Taschenlampe kreuzte, holte er unwillkürlich tief Luft und fühlte sich sofort einer Ohnmacht nahe. Tapfer kämpfte er sich vorwärts, die Maglite in der linken, die Säge in der rechten Hand. Die Finger taten ihm weh vom Hochstemmen des Gullideckels, vermutlich hatte er sich den Schultermuskel gezerrt, und als er mit dem Oberkörper schon zur Hälfte im Gulli verschwunden war, seine Füße hatten auf den glitschigen Metallstufen kaum Halt gefunden, war plötzlich dieser Polizist aufgetaucht und Schrempf hatte den Atem angehalten und sich eine halbwegs plausible Ausrede einfallen lassen, die er dann, Gott sei Dank, nicht benötigt hatte, da der Polizist nur eine Zigarette rauchen wollte und Schrempf gar nicht gesehen hatte.
    Er ging weiter, das Kreuz tat ihm weh, er schwitzte, hatte das Gefühl, die ohnehin schon engen Wände des Kanals rückten mit jedem Meter, den er voranschritt, näher an ihn heran, und verfluchte sich, weil er sich auf die gefährliche Idee, die auf Patrick Bergers Mist gewachsen war, eingelassen hatte. Er, Bernhard Schrempf, hätte schon gewarnt sein müssen, als Berger ihn nach seinem Gewicht gefragt hatte. Kurz darauf hatte er ihm den großartigen Berger-Plan erläutert. Hören Sie zu, Schrempf, hatte er gesagt, es ist ganz einfach. Sie klettern in einen Gulli, kriechen vor bis zu diesem

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