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Kolibri

Kolibri

Titel: Kolibri Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Benvenuti
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vielfältigster Weise schaden konnte. Nach rund zwanzig Metern machte das Rohr einen leichten Knick und Schrempf gönnte sich eine Pause und atmete ein wenig auf. Von diesem Knick weg waren es nur noch knapp fünf Meter, dann hatte er es geschafft. Mit neuer Energie beseelt, legte er das letzte Stück der Strecke in wenigen Sekunden zurück, drückte das grobmaschige Metallsieb nach innen, zwängte sich durch die Öffnung und fand sich schließlich in einer Art Bottich, dessen Boden mit einem zähen weißen Schleim bedeckt war, wieder. Er hatte es geschafft. Verdreckt, stinkend und mit allerlei Chemie imprägniert, gönnte er sich im Augenblick des Triumphs dennoch ein breites Lächelnund seine dünnen Finger ballten sich zu Fäusten. Jetzt musste er nur noch ungesehen ins Büro gelangen und einen rund zehn Kilo schweren Behälter unbemerkt hier runterschaffen, eine Aufgabe, die für einen Mann mit streichholzdünnen Oberarmen kein Problem darstellen würde.
    Dolores Hightower saß im Fond des Taxis, kraulte Nubia, die mit angelegten Ohren neben ihr auf der Bank lag, am Kopf, schaute hinaus auf die zahlreichen Schaulustigen, die Transparente trugen, die sie wegen der Dunkelheit nicht lesen konnte, und wartete, dass sich einer der Polizisten in der schicken dunklen Uniform endlich dazu herabließ, sich zum Wagen zu bequemen und sie durchzulassen. Die letzten paar Stunden, seit dem Anruf von Dave Penrose, hatte sie fast ausschließlich im Flugzeug und in Taxis verbracht. Sie war direkt von der Landwirtschaftsmesse in Berlin von einem Perser, der seinen Mercedes durch den dichten Stadtverkehr gesteuert hatte wie ein Amokfahrer, zum Rollfeld gebracht worden, wo die firmeneigene Dash 8 bereits mit laufenden Propellern auf sie gewartet und sie in weniger als zwei Stunden nach Wien gebracht hatte, wo sie gleich nach dem Auschecken ins nächste Taxi gesprungen war, das, in dem sie gerade saß. Sie trug immer noch ihre blaue, verwaschene Latzhose über einem karierten Hemd, dessen beide oberste Knöpfe sie geöffnet und dessen Ärmel sie bis über die Ellbogen hochgekrempelt hatte. Ausgelatschte, ehemals schwarze Ledersandalen und eine goldfunkelnde Omega Constellation mit diamantenbesetztem Ziffernblatt vervollständigten ihre Garderobe.
    â€žWie lange dauert das denn noch?“, rief sie durch das heruntergekurbelte Fenster nach draußen.
    â€žIch glaub nicht, dass die Sie da rein lassen“, sagte der Taxifahrer und deutete mit dem Kinn auf eine Traube Polizisten in dunklen Uniformen.
    â€žDie lassen mich rein, keine Sorge“, sagte Hightower und öffnete die Tür, während sie mit der anderen Hand ihre Geldtasche aus der Latzhose kramte. „Wie viel bekommen Sie von mir?“
    Der Taxifahrer warf einen Blick aufs Taxameter. „Zweiunddreißig Euro.“
    Hightower drückte ihm einen Fünfziger in die Hand, sagte, es stimme so und verlangte eine Rechnung, die ihr der Taxler freudestrahlend ausstellte. Hightower ließ sie samt Geldtasche in ihrer Latzhose verschwinden, scheuchte den Hund aus dem Wagen, stieg aus und blickte sich um. Die Straße vor ihr war mit einem rot-weißen Trassenband abgesperrt, linker Hand konnte sie die von Scheinwerfern angestrahlte Fabrik ausmachen, ihr gegenüber, durch eine zweispurige Straße mit Straßenbahnschienen getrennt, den Platz vor dem Haupttor des Zentralfriedhofs, der vor Polizisten nur so wimmelte. Penrose hatte nicht übertrieben, als er gesagt hatte, hier sei das Chaos ausgebrochen und nur eine, die berühmt-berüchtigte Dolores Hightower, könne es wieder beseitigen.
    Sie beugte sich über das Trassenband und winkte einen der Polizisten herbei, der mit betonter Langsamkeit antrabte und breitbeinig vor ihr stehen blieb. „Zutritt nur für Beamte und Journalisten“, sagte er, nachdem er ihre abgerissene Kleidung, das stachelige Haar und den zu ihren Füßen kauernden Hund mit einem abschätzigen Blick bedacht hatte.
    â€žHör zu, Darling“, gurrte sie und legte so viel Schmelz in ihre Stimme, dass selbst ein Lederschwuler weich geworden wäre, „ich bin hier auf direkte Anweisung von deinem Boss. Also drück dieses Band zu Boden und lass mich durch.“
    Der Polizist ließ den Strahl seiner Taschenlampe über Hightowers Gesicht und Oberkörper wandern und sagte: „Ich kenne Sie nicht und Presseausweis sehe ich auch

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