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Kolibri

Kolibri

Titel: Kolibri Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Benvenuti
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gedrängt?), würden plötzlich wieder da sein und mit einem selbstgefälligen Lächeln mit dem Finger auf ihn zeigen, auf ihn, der sich für besser als sie alle gehalten, auf ihn, der Ambitionen entwickelt, auf ihn, der versagt hatte. Diese Leute würden es ihn sein Leben lang nicht vergessen lassen, dass er, und sei es nur ein einziges Mal, gescheitert war.
    Seine trübseligen Gedanken wurden von einem Aufschrei Qualtingers unterbrochen, der auf den Fernseher zeigte und ein Gesicht machte, als hätte er etwas Schlechtes gerochen.
    â€žDiese Verrückten“, sagte er fassungslos, „sind alle auf der Seite von Baumgartner. Schauen Sie sich die Transparente an.“
    Berger erhob sich mit einem unterdrückten Stöhnen von der Bank und machte ein paar Schritte nach vorne, wo er stehen blieb und, genau wie der Bürgermeister und der Umweltstadtrat, das hektische Treiben auf dem Bildschirm betrachtete. Die Kamera machte einen langsamen Schwenk und fing ein gespenstisch anmutendesPanoptikum halb im Schatten verborgener Männer, Frauen und Kinder ein, die T-Shirts, Transparente und Plakate mit teilweise schlecht lesbaren Aufschriften trugen. Berger kniff die Augen zusammen und versuchte, den einen oder anderen Schriftzug zu entziffern, und seine schlimmsten Befürchtungen wurden bestätigt: Die Ökospinner waren eingetroffen. Gegen dies und gegen das, für dieses und für jenes, die Slogans waren so naiv wie bekannt, nur, die Slogans selbst waren kein Problem, nein, die Leute, die sie zur Schau trugen und skandierten, die stellten das Problem dar. Wenn die Profis von Greenpeace und Global 2000 erst mal da waren, würden die sich nicht so einfach abwimmeln lassen. Sie würden eine Untersuchung verlangen und mit Baumgartner hätten sie das perfekte Mittel, um Berger in die Knie zu zwingen. Nun, mit Baumgartner und dem Behälter, der sich, hoffentlich nicht mehr lange, im Safe in Bergers Büro befand.
    Seufzend ließ sich Berger auf die Bank fallen und dachte an Bernhard Schrempf, in dessen Händen jetzt sein Schicksal lag. Er kam sich vor, als schwebte er knapp über dem Boden, und er wusste, der Aufprall war unvermeidlich, die Frage war nur, wie hart würde er ausfallen.
    Bernhard Schrempf hob den rechten Arm hoch über seine Schulter und versuchte, sich am Rücken zu kratzen. Seine Haut juckte mehr oder weniger überall, ein heißes, stechendes Pulsieren, das, kaum hatte er es mit eifrigen Fingern zum Verebben gebracht, an einer anderen Stelle aufbrandete. Er stellte sich Bakterien vor, die sich in seine Haut fraßen, Parasiten, die sich von seinen Körperzellen nährten und nur mit chemischen Keulen wieder zu vertreiben sein würden. Leise fluchend machte er ein paar Schritte und schüttelte sämtliche Gliedmaßen. Reiß dich zusammen, sagte er sich. Du bist hier, weil du eine Aufgabe zu erledigen hast. Jammern kannst du später. Und obwohl das Jucken und Brennen auf seiner Haut wieder an Intensität zunahm, merkte er, wie sich ein zufriedenes Lächeln auf seinem Gesicht ausbreitete. Verdammt, inzwischen genoss er es geradezu,hier zu sein, sich heimlich durch ein Abwasserrohr in die Fabrik eingeschlichen zu haben, die von Baumgartner und seiner Bombe besetzt wurde, er genoss es, sowohl dem Ökospinner als auch den Bullen einen Schritt voraus zu sein. Seine Kindheit war wenig aufregend gewesen, heute würde man sie wohl als glücklich bezeichnen, seine Eltern hatten ihn geliebt und taten es, soweit er wusste, immer noch, es hatte keine Unfälle, Tragödien oder andere Schicksalsschläge gegeben, die die Erinnerung an seine frühen Jahre zu einer dunklen, schmerzhaften Angelegenheit machten, kurz, sein Leben war von Anfang an langweilig verlaufen. Volksschule, Gymnasium, Uni, ein, zwei Jobwechsel, und schließlich war er hier gelandet, bei Patrick Berger. Von der ersten Sekunde an hatte er gewusst, dass sein Platz von nun an an Bergers Seite sein würde. Berger hatte Ideen und Energie, er steckte sich seine Ziele hoch und vermochte Mitarbeitern, die Außerordentliches leisteten, das Gefühl von Wertschätzung zu vermitteln. Mitarbeitern wie Bernhard Schrempf. Und deshalb war er hier, im Keller der Fabrik, die Haare verklebt, die Haut von Parasiten bevölkert, die Kleidung als stinkende, feuchte Lumpen an seinem Körper klebend.
    Er strich sich seine spärlichen Strähnen nach hinten und zog das

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