Kolibri
Handy, das er vorsichtshalber in ein Plastiksackerl gewickelt hatte, aus seiner Hosentasche. Seit seinem Eindringen waren rund drei Minuten vergangen. Er hatte keine Ahnung, ob das viel oder wenig Zeit war, aber sein Instinkt riet ihm, die ganze Angelegenheit so schnell wie möglich über die Bühne zu bringen. Bevor die Aufregung ab- und die Angst zunahm. Oder Baumgartner auf die Idee kam, seine Bombe zu zünden. Allein bei dem Gedanken schrumpften seine Hoden.
Er schaffte die Strecke vom Keller in den ersten Stock trotz Dunkelheit â das Licht getraute er sich nicht einzuschalten â in wenigen Minuten, schlieÃlich war er diese Gänge schon oft genug abgeschritten, um sie im Schlaf zu kennen. Ab und zu blieb er stehen und lauschte auf verdächtige Geräusche, doch das Einzige, das er, vom Klopfen seines Herzens und dem Rasseln seiner Lungen abgesehen,hörte, war das gedämpfte Stimmengemurmel von der anderen StraÃenseite, vom Platz vor dem Haupttor des Zentralfriedhofs her.
Er ging weiter, lieà die Taschenlampe manchmal aufblitzen, um nicht gegen Getränkeautomaten oder im Gang vorübergehend zwischengeparkte Laborgeräte zu stoÃen, stieg langsam die Treppen hoch, wobei er auf jedem Absatz eine kleine Pause machte, um Luft zu holen, und kam schlieÃlich, mit einem Gefühl der Euphorie, gemischt mit einem prickelnden Hauch Angst, im obersten Stockwerk an. Geschafft. Jetzt hieà es nur noch, ins Büro zu gehen, den Safe zu öffnen und mit dem Behälter schleunigst das Weite zu suchen. Grinsend machte er einen Schritt vorwärts, als sich plötzlich die Tür von Bergers Büro öffnete und ein Keil gedämpften Lichtes auf den Boden fiel. Schrempf schaffte es gerade noch, hinter einem Massenspektrographen, der auf einem schweren Rollwagen aus Metall stand, in Deckung zu gehen. Er spürte, wie sein Herz schneller schlug, und das Rasseln seiner Lungen erschien ihm so laut, dass Baumgartner es unmöglich überhören konnte. Vielleicht, wenn ich die Augen schlieÃe ⦠Nein, das war kindisch. Sollte er von Baumgartner entdeckt werden, war das Spiel aus, aber er wollte nicht wie ein ängstliches Kind in der Ecke hocken und darauf hoffen, dass, was er nicht sah, ihn auch nicht sehen konnte. Er drückte sich enger an die Wand und hob seinen Kopf gerade so weit, dass er die Tür im Auge behalten konnte. Stimmen drangen aus dem Büro, ein Mann und eine Frau schienen sich zu unterhalten. Bei der Frau musste es sich um die Journalistin handeln, die beim Erstürmen der WEGA in der Fabrik zurückgelassen worden war; Schrempf hatte die Geschichte drauÃen auf dem Platz mitbekommen. Offensichtlich kam sie gut mit Baumgartner klar. Machte vermutlich gerade ein Exklusivinterview und den Ãkospinner zum Star. Noch ein Grund mehr, schnell zu handeln. Gib ihnen keine Chance, etwas Belastendes zu finden.
Er kniff die Augen zusammen und starrte noch angestrengter zur Tür. Jetzt kam es drauf an, ob Baumgartner und die Journalistin faul oder sportlich waren. Aus irgendeinem Grund verlieÃen sienämlich das Büro, was für Schrempf eine glückliche Fügung bedeutete, allerdings gab es nur zwei Möglichkeiten, in einen anderen Teil der Fabrik zu gelangen, was die beiden offenbar vorhatten; vielleicht zeigte ihr Baumgartner die Bombe. Sie konnten mit dem Lift nach unten fahren oder zu Fuà die Treppe hinabsteigen, und dann würden sie Schrempf unvermeidbar entdecken. Da er nicht an Gott glaubte, welcher Wissenschaftler, der seine Profession ernst nahm, konnte das schon, beschränkte er sich auf eine unspirituelle Form eines StoÃgebetes; er murmelte mehrmals
Bitte, bitte
vor sich hin und versuchte, Baumgartner und die Frau kraft seiner Gedanken zum Lift zu bewegen.
Der Keil aus Licht wurde gröÃer, als die Tür zur Gänze aufgestoÃen wurde und gegen die Wand knallte. Etwas aufgekratzt, die beiden, dachte Schrempf. Baumgartner erschien in der Tür, er wirkte müde, die Haare standen ihm wirr in die Höhe und er tapste seltsam unbeholfen auf seinen nackten FüÃen herum. Er drehte sich um und sagte etwas zu der Frau, die Schrempf nicht sehen konnte. Die Frau schien anderer Meinung zu sein, denn Baumgartner schüttelte den Kopf und deutete auf seine FuÃsohlen, von denen er eine der Frau zeigte, dann wies er mit dem Arm zum Lift. SchlieÃlich drehte er sich um und ging mit drei langsamen Schritten
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