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Kollaps

Kollaps

Titel: Kollaps Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jared Diamond
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folgenden Jahrhundert.
    Als Norwegen nach und nach christlich wurde, folgten die Überseekolonien der Wikinger auf den Orkney-, Shetland- und Färöerinseln sowie in Island und Grönland sehr schnell nach. Teilweise lag es daran, dass die Kolonien wenig eigene Schiffe besaßen, mit ihrem Handel auf Norwegen angewiesen waren und erkennen mussten, dass sie unmöglich Heiden bleiben konnten, nachdem Norwegen den christlichen Glauben angenommen hatte. Als beispielsweise der norwegische König Olaf I. konvertierte, schloss er alle heidnischen Isländer vom Handel mit Norwegen aus, nahm Isländer gefangen, die sein Land besuchten (darunter auch Angehörige heidnischer isländischer Herrscher) und drohte, diese Geiseln zu verstümmeln oder zu töten, wenn Island nicht dem Heidentum entsagte. Bei einem Treffen der isländischen Nationalversammlung im Sommer 999 schickten sich die Bewohner in das Unvermeidliche und erklärten sich zu Christen. Ungefähr um die gleiche Zeit führte Leif Erikson, der Sohn Eriks des Roten, der die Kolonie in Grönland gegründet hatte, angeblich auf der Insel das Christentum ein.
    Die christlichen Kirchen, die in Island und Grönland nach dem Jahr 1000 entstanden, waren im Gegensatz zu heutigen Kirchen keine unabhängigen Institutionen mit eigenem Landbesitz und eigenen Gebäuden. Ihre Erbauer und Eigentümer waren vielmehr führende örtliche Bauern und Häuptlinge, die sie auf ihrem eigenen Land errichteten, und der jeweilige Bauer hatte auch einen Anspruch auf einen Teil der Steuern, welche die Kirche als Zehnten von anderen Bewohnern der Gegend erhob. Es war, als hätte der Häuptling mit der Imbisskette McDonald’s ein Franchiseabkommen ausgehandelt, das ihm ein lokales McDonald’s-Monopol verschaffte, um dann eine Kirche zu errichten und Handelsgüter nach McDonald’s-Standards zu vertreiben und einen Teil der Erlöse für sich zu behalten, während der Rest an eine Zentralverwaltung ging - in diesem Fall über den Erzbischof von Nidaros (das heutige Trondheim) an den Papst in Rom. Natürlich war die katholische Kirche bemüht, ihre Kirchen von den Bauern/Eigentümern unabhängig zu machen. Im Jahr 1297 konnte sie die isländischen Kirchenbesitzer schließlich zwingen, das Eigentum an vielen Kirchen-Bauernhöfen dem Bischof zu übertragen. Es gibt keine erhaltenen schriftlichen Belege, dass etwas Ähnliches sich auch in Grönland abspielte, aber da man dort (zumindest nominell) die norwegische Herrschaft anerkannte, kamen die Kirchenbesitzer vermutlich ebenfalls unter Druck. Wir wissen aber, dass der Bischof von Bergen 1341 einen Aufseher namens Ivar Bardarson nach Grönland schickte; dieser kehrte am Ende mit einer genauen Liste und Beschreibung aller grönländischen Kirchen nach Norwegen zurück und schlug vor, der Bischof solle seine »Franchisenehmer« in Grönland ebenso stramm an die Kandare nehmen wie zuvor in Island.
    Die Bekehrung zum Christentum stellte für die Überseekolonien der Wikinger eine dramatische kulturelle Umwälzung dar. Angesichts des christlichen Alleinvertretungsanspruches als einzig wahre Religion musste man die heidnischen Traditionen aufgeben. Kunst und Architektur wurden christlich und orientierten sich an Vorbildern auf dem Kontinent. In Übersee bauten die Wikinger große Kirchen und sogar Kathedralen, die in ihren Ausmaßen an Bauwerke des dichter bevölkerten skandinavischen Festlandes heranreichen und deshalb im Verhältnis zu der viel kleineren Bevölkerung, die dafür aufkommen musste, geradezu gigantisch waren. In den Kolonien nahm man das Christentum so ernst, dass man einen Zehnten an Rom abführte: Es gibt Belege, dass der Bischof von Grönland 1282 an den Papst eine Kreuzzugsteuer zahlte (die nicht in Geld, sondern in Form von Wahlrosszähnen und Eisbärfellen entrichtet wurde), und eine päpstliche Quittung aus dem Jahr 1327 bestätigt, dass aus Grönland die Steuern für sechs Jahre eingegangen waren. Die Kirche wurde zum wichtigsten Weg, auf dem die neuesten Ideen aus Europa nach Grönland gelangten; dies lag besonders daran, dass alle Bischöfe, die nach Grönland abgeordnet wurden, keine einheimischen Grönländer waren, sondern vom skandinavischen Festland stammten.
    Vielleicht die wichtigste Folge der Bekehrung zum Christentum war das gewandelte Bild, das die Siedler von sich selbst hatten. Das Ergebnis erinnert mich an die Australier, die sich lange nach der Gründung der britischen Kolonien auf ihrem Kontinent im Jahr 1788 nicht als

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