Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kollaps

Kollaps

Titel: Kollaps Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jared Diamond
Vom Netzwerk:
australische Goldrausch endlich ein wenig Wohlstand.
    Als die europäische Besiedelung Australiens 1788 begann, war der Kontinent natürlich bereits seit mehr als 40 000 Jahren von den Aborigines besiedelt, und die hatten für die gewaltigen ökologischen Probleme nachhaltige Lösungen gefunden. In den Gebieten der ersten europäischen Besetzung (den Gefangenenlagern) und in den Regionen, die später zu Zwecken der Landwirtschaft besiedelt wurden, hatten die Weißen für die Ureinwohner sogar noch weniger Verwendung als die weißen Amerikaner für die Indianer: Diese waren im Osten der Vereinigten Staaten bereits Bauern und lieferten den europäischen Siedlern in den ersten Jahren lebensnotwendige Nutzpflanzen, bis die Einwanderer selbst solche Pflanzen anbauten. Danach waren die indianischen Bauern für die Weißen nur noch Konkurrenten, sodass man sie tötete oder vertrieb. Die australischen Aborigines dagegen betrieben keine Landwirtschaft, konnten den Siedlungen keine Lebensmittel liefern und wurden getötet oder aus den anfänglichen Siedlungsgebieten der Weißen vertrieben. Die gleiche Politik verfolgte man auch, als die Weißen sich auf alle landwirtschaftlich nutzbaren Regionen ausbreiteten. Als sie jedoch in Gebiete vordrangen, die für den Getreideanbau zu trocken waren und sich nur noch als Weideland eigneten, waren die Aborigines als Schafhirten nützlich: Anders als in den Schafzüchterstaaten Island und Neuseeland, wo die Schafe keine natürlichen Feinde haben, gab es in Australien die Dingos, die Jagd auf die Nutztiere machten; deshalb brauchten die Schafzüchter dort Wächter, und da weiße Arbeitskräfte knapp waren, stellten sie die Aborigines an. Manche Ureinwohner arbeiteten auch bei Wal- und Robbenfängern, Fischern und Händlern an der Küste.
    Genau wie die normannischen Siedler, die die kulturellen Werte ihrer norwegischen Heimat nach Island und Grönland mitbrachten (Kapitel 6 bis 8), so importierten auch die britischen Siedler ihre kulturellen Werte nach Australien. Und wie in Island oder Grönland, so waren auch in Australien manche dieser kulturellen Werte der neuen Umwelt nicht angemessen, und die Nachwirkungen sind bis heute spürbar. Besonders wichtig waren dabei fünf Traditionen im Zusammenhang mit Schafen, Kaninchen und Füchsen, der einheimischen australischen Pflanzenwelt, dem Landbesitz und der britischen Identität.
    Großbritannien produzierte im 18. Jahrhundert kaum eigene Wolle, sondern importierte sie aus Spanien und Sachsen. Diese Lieferungen vom Kontinent waren während der napoleonischen Kriege blockiert, die gerade in den ersten Jahrzehnten der britischen Besiedelung Australiens tobten. Der britische König George III. interessierte sich sehr für dieses Problem, und mit seiner Unterstützung gelang es den Briten, einige Merinoschafe aus Spanien auf ihre Insel zu schmuggeln; ein Teil dieser Tiere wurde dann nach Australien geschickt und begründete dort die ersten Herden der Wolllieferanten. Nun entwickelte sich Australien zu Großbritanniens wichtigster Quelle für Wolle. Umgekehrt war die Wolle von 1820 bis 1950 auch die wichtigste Exportware des Kontinents, denn mit ihrem geringen Volumen und hohen Wert unterlag sie nicht der Tyrannei der Entfernung, die sperrigeren Gütern auf den Weltmärkten die Konkurrenzfähigkeit raubte.
    Noch heute dient ein beträchtlicher Teil der landwirtschaftlichen Nutzflächen in Australien der Schafzucht. Sie ist ein unverzichtbarer Bestandteil der kulturellen Identität des Landes, und Wähler aus ländlichen Gebieten, die mit Schafen ihren Lebensunterhalt verdienen, haben in der australischen Politik einen unverhältnismäßig großen Einfluss. In Wirklichkeit eignet sich die Landschaft des Kontinents aber nur scheinbar für die Schafzucht: Anfangs wuchs dort zwar üppiges Gras, oder man konnte durch Rodung für üppigen Graswuchs sorgen, aber wie bereits erwähnt, hatte der Boden eine sehr geringe Produktivität, sodass die Schafzüchter letztlich die Fruchtbarkeit des Landes abbauten. Viele Schafzuchtbetriebe mussten schnell wieder aufgeben; die heutige australische Schafzucht ist (wie ich noch genauer erörtern werde) ein Verlustgeschäft, und ihre Folge ist eine katastrophale Landschaftszerstörung durch Überweidung.
    In den letzten Jahren wurde vorgeschlagen, man solle statt Schafen lieber Kängurus züchten, die im Gegensatz zu den Schafen seit jeher in Australien heimisch waren, sodass sie an Pflanzenwelt und Klima angepasst

Weitere Kostenlose Bücher