Kollaps
sicherheitsrelevanten Biotechnologieeinrichtung gebaut wird.
Allmählich wird den Bewohnern von Montana klar, dass ihre vorherrschenden Grundsätze genau in entgegengesetzte Richtungen zielen: einerseits die regierungskritische Haltung mit dem Pochen auf individuelle Rechte, andererseits der Stolz auf ihre Lebensqualität. Das Schlagwort »Lebensqualität« fällt in letzter Zeit praktisch immer, wenn ich mich mit Bewohnern von Montana über ihre Zukunft unterhalte. Sie meinen damit, das sie sich an jedem Tag ihres Lebens über jene großartige Umwelt freuen können, die für Touristen wie mich ein oder zwei Wochen im Jahr etwas ganz Besonderes ist. Außerdem spielen die Bewohner Montanas damit aber auch auf ihre traditionelle Lebensweise als ländliche, weit verstreute, gleichberechtigte Bevölkerung an, die von den alten Siedlern abstammt. Emil Erhardt sagte einmal zu mir: »Im Bitterroot Valley wollen die Leute im Wesentlichen ihre ländliche kleine Gemeinschaft behalten, in der alle gleich sind: Alle sind arm, und alle sind stolz darauf.«
Aber mit ihrem alten, anhaltenden Widerstand gegen staatliche Vorschriften haben die Bürger von Montana eine uneingeschränkte Nutzung der Landflächen und damit den Zustrom neuer Bewohner möglich gemacht, und das führte zur Schädigung der schönen natürlichen Umwelt und ihrer so geliebten Lebensqualität. Am besten erklärte es Steve Powell: »Den Immobilienmaklern und Bauunternehmern unter meinen Bekannten sage ich: ›Ihr müsst die landschaftliche Schönheit bewahren, die wilden Tiere und die landwirtschaftlichen Flächen.‹ Solche Dinge erhalten den Wert von Immobilien. Je länger wir mit den Planungen warten, desto weniger landschaftliche Schönheit bleibt übrig. Unerschlossenes Land nützt der Gemeinschaft als Ganzer: Es ist ein wichtiger Teil der Lebensqualität, die die Menschen anzieht. Angesichts der zunehmenden Bevölkerung sind dieselben Leute, die früher gegen staatliche Eingriffe Front machten, heute besorgt wegen des Wachstums. Sie erklären, ihre liebsten Freizeitgebiete seien jetzt übervölkert, und sie räumen ein, dass es Regeln geben muss.« Als Steve 1993 County Commissioner wurde, organisierte er Bürgerversammlungen, um Diskussionen über Nutzungspläne in Gang zu setzen und die Öffentlichkeit zum Nachdenken anzuregen. Bei den Versammlungen tauchten finster dreinblickende Mitglieder der Milizen auf; sie störten die Veranstaltungen und trugen ganz offen die Revolver im Halfter, um die anderen einzuschüchtern. Steve schaffte die Wiederwahl nicht.
Wie der Konflikt zwischen dem Widerstand gegen behördliche Planung und der Notwendigkeit solcher Planungen beigelegt werden soll, ist bis heute nicht geklärt. Um noch einmal Steve Powell zu zitieren: »Die Leute wollen die ländliche Gemeinschaft im Bitterroot Valley erhalten, aber sie haben keine Ahnung, wie man sie erhalten und dabei wirtschaftlich überleben kann.«
Nachdem ich dieses Kapitel vorwiegend in meinen eigenen Worten formuliert habe, möchte ich zum Schluss vier meiner Freunde aus Montana zu Wort kommen lassen. Sie berichten, wie sie hierher kamen und welche Sorgen sie sich um die Zukunft des Bundesstaates machen. Rick Laible ist neu zugezogen und sitzt heute im Senat von Montana; Chip Pigman lebt seit jeher hier und ist Bauunternehmer; Tim Huls, ebenfalls alt eingesessen, betreibt eine Milchviehfarm; und John Cook, neu zugezogen, ist Angelführer.
Rick Laible erzählt Folgendes: »Geboren und aufgewachsen bin ich in der Gegend von Berkeley in Kalifornien. Dort habe ich eine Firma für die Herstellung von Ladeneinrichtungen aus Holz. Meine Frau Frankie und ich haben hart gearbeitet. Eines Tages sah Frankie mich an und sagte: ›Du arbeitest jeden Tag zehn bis zwölf Stunden, und das sieben Tage in der Woche.‹ Wir entschlossen uns zu einem Teilruhestand und fuhren 7500 Kilometer im Westen herum, um den richtigen Ort für unseren Ruhesitz zu finden. In einem abgelegenen Teil des Bitterroot Valley kauften wir 1993 unser erstes Haus, und 1994 zogen wir auf eine Ranch, die wir in der Nähe der Ortschaft Victor erworben hatten. Dort züchtet meine Frau Araberpferde, und ich fliege ein Mal im Monat nach Kalifornien zu meiner Firma, die mir immer noch gehört. Wir haben fünf Kinder. Unser ältester Sohn wollte immer nach Montana ziehen und verwaltet heute unsere Ranch. Die anderen vier verstehen nicht, was die Lebensqualität in Montana ausmacht, verstehen nicht, dass die Bewohner von
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