Kollaps
verschwanden fast völlig aus der Ernährung der Inselbewohner - von den Gründen wird später noch genauer die Rede sein. Bei den Fischen, die weiterhin gefangen wurden, handelte es sich vorwiegend um Arten, die in Küstennähe leben. Landvögel gab es in der Ernährung später überhaupt nicht mehr, und zwar einfach deshalb, weil sämtliche Arten durch zu starke Jagd, Waldzerstörung und räuberische Ratten ausgerottet wurden. Nirgendwo sonst auf den Pazifikinseln ereilte die Landvögel eine derart schlimme Katastrophe, nicht einmal in Neuseeland und auf Hawaii, wo zwar Moas, flugunfähige Gänse und andere Arten ausstarben, wo aber viele andere auch überlebten. Keine andere Pazifikinsel besaß am Ende überhaupt keine einheimischen Landvögel mehr. Von den einstmals 25 Seevogelarten nisten 24 heute wegen übermäßiger Jagd und Verfolgung durch die Ratten nicht mehr auf der Osterinsel selbst, ungefähr neun nisten in geringer Zahl auf wenigen kleinen Felseilanden vor der Osterinsel, und 15 sind auch dort verschwunden. Selbst die Muscheln wurden so stark dezimiert, dass die Menschen am Ende weniger die hoch geschätzten großen Kaurimuscheln verzehrten als vielmehr die weniger beliebten, kleineren schwarzen Schnecken, und die Größe von Kauri- und Schneckengehäusen in den Abfallhaufen geht im Lauf der Zeit immer weiter zurück, weil vor allem die größeren Exemplare bevorzugt verzehrt wurden.
Die Riesenpalmen und alle anderen ausgestorbenen Bäume, die von Catherine Orliac, John Flenley und Sarah King nachgewiesen wurden, verschwanden aus einem halben Dutzend Gründen, die wir heute belegen oder ableiten können. Orliacs Holzkohlestücke aus den Öfen beweisen unmittelbar, dass die Bäume verfeuert wurden. Sie dienten auch zur Einäscherung von Leichen: Die Krematorien auf der Osterinsel enthalten die Überreste von vielen tausend menschlichen Körpern und große Mengen von Knochenasche, was darauf schließen lässt, dass für die Einäscherung gewaltige Brennstoffmengen verbraucht wurden. Man holzte die Bäume ab, um Felder anzulegen, und am Ende dienten die Landflächen der Osterinsel mit Ausnahme der am höchsten gelegenen Regionen größtenteils zum Anbau von Nutzpflanzen. Da anfangs in den Abfallhaufen zahlreiche Knochen von Delphinen und Thunfischen aus dem offenen Meer auftauchen, kann man den Schluss ziehen, dass große Bäume wie Alphitonia und Elaeocarpus zum Bau seetüchtiger Kanus gefällt wurden; die zerbrechlichen, undichten Nussschalen, die Roggeveen zu Gesicht bekam, eigneten sich nicht als Plattform für Harpunenschützen und konnten sich auch nicht weit aufs offene Meer hinauswagen. Daraus können wir schließen, dass die Bäume die Balken und Seile zum Transport und Aufbau der Statuen lieferten und zweifellos auch zu zahlreichen anderen Zwecken verwendet wurden. Auch die zufällig als blinde Passagiere eingeschleppten Ratten »benutzten« die Palmen und zweifellos auch andere Bäume für ihre eigenen Zwecke: An sämtlichen Nüssen der Osterinselpalme, die man gefunden hat, sind Zahnspuren von Ratten zu erkennen, sodass sie nicht mehr keimen konnten.
Die Waldzerstörung muss irgendwann nach der Besiedlung durch Menschen um das Jahr 900 nach Christus begonnen haben und war 1722, als Roggeveen keinen Baum von mehr als drei Metern Höhe sah, praktisch vollendet. Können wir Genaueres darüber sagen, wann in der Zeitspanne zwischen 900 und 1722 das große Abholzen stattfand? Als Leitfaden können uns fünf Indizien dienen. Glaubt man der Radiokarbondatierung, stammen die meisten Palmennüsse aus der Zeit vor 1500, was darauf schließen lässt, dass die Palmen nach dieser Zeit selten waren oder ganz ausstarben. Auf der Poike-Halbinsel, die auf der ganzen Insel den unfruchtbarsten Boden hat und deshalb vermutlich als Erste ihren Wald verlor, verschwanden die Palmen um 1400, und nach 1440 findet man auch keine Holzkohle aus abgeholzten Wäldern mehr, obwohl Spuren der Landwirtschaft aus späterer Zeit belegen, dass weiterhin Menschen dort lebten. Orliacs Radiokarbondatierung von Holzkohlestücken aus Öfen und Abfallhaufen zeigt, dass krautige Pflanzen und Gräser nach 1640 als Brennstoff an die Stelle des Holzes traten, und zwar selbst in den Häusern der herrschenden Klasse, die möglicherweise die letzten kostbaren Bäume für sich beanspruchten, nachdem für die Bauern bereits keine mehr übrig waren. An Flenleys Bohrkernen ist zu erkennen, dass Pollen von Palmen, Olearia , Toromiro und
Weitere Kostenlose Bücher