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Kollaps

Kollaps

Titel: Kollaps Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jared Diamond
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Wissenschaftler, der verrückt genug war, sich auf der Osterinsel an diese Arbeit zu machen, war der schwedische Palynologe Olof Selling; er untersuchte Bohrkerne aus den Sümpfen der Krater von Rano Raraku und Ranu Kau, die 1955 auf der Expedition von Thor Heyerdahl gesammelt worden waren. Dabei entdeckte er eine Fülle von Pollen einer nicht identifizierten Palmenart, die heute auf der Osterinsel nicht mehr heimisch ist.
    In den Jahren 1977 und 1983 sammelte John Flenley weitere Sedimentbohrkerne, und auch ihm fiel eine Fülle von Palmenpollen auf; durch einen glücklichen Zufall erhielt er 1983 von Sergio Rapu Hoa auch einige fossile Palmennüsse, die französische Höhlenforscher im gleichen Jahr in einer Lavahöhle entdeckt und zur Identifizierung an den weltweit führenden Palmenexperten geschickt hatten. Wie sich herausstellte, ähnelten die Nüsse den Früchten der Chilenische Honigpalme, die mit einer Höhe von 20 Metern und einem Durchmesser bis zu einem Meter heute die größte Palmenart ist; sie waren aber noch geringfügig größer. Später fand man auf der Osterinsel weitere Spuren dieser Palme: Ihre Stämme hatten sich vor einigen hunderttausend Jahren am Teravaka in flüssiger Lava abgedrückt, und die Abdrücke ihrer Wurzelstücke beweisen, dass der Stamm dieser Osterinselpalme einen Durchmesser von weit über zwei Metern erreichte. Damit stellte sie selbst die Chilenische Palme in den Schatten und war zu ihrer Zeit die größte Palme der Welt.
    In Chile schätzt man die Palme heute aus mehreren Gründen, und ähnlich dürfte es auch den Bewohnern der Osterinsel ergangen sein. Wie ihr Name schon sagt, liefert der Stamm einen süßen Saft, den man zu Wein vergären oder zu Honig und Zucker einkochen kann. Die ölhaltigen Kerne der Nüsse gelten als Delikatesse. Die Palmwedel eignen sich ideal zum Decken von Hausdächern sowie zur Herstellung von Körben, Matten und Segeln. Und die kräftigen Stämme dürften natürlich zum Transport und Aufbau der moai sowie vielleicht auch zum Bau von Flößen gedient haben.
    Flenley und Sarah King fanden in den Sedimentkernen auch Pollen von fünf weiteren heute ausgestorbenen Baumarten. In jüngerer Zeit sortierte die französische Archäologin Catherine Orliac rund 30 000 Holzstücke, die zu Holzkohle verbrannt waren und die sie in den Bohrkernen aus Öfen und Abfallhaufen der Osterinsel gewonnen hatte. Mit ähnlich heldenhaftem Elan wie Selling, Flenley und King verglich sie 2300 derart verkohlte Holzstücke mit Holzproben von Pflanzen, die heute an anderen Stellen Polynesiens vorkommen. Auf diese Weise identifizierte sie ungefähr 16 weitere Pflanzenarten, vorwiegend Bäume, die verbreiteten Baumarten in Ostpolynesien genau glichen oder ähnelten und früher offenbar auch auf der Osterinsel gediehen. Die Osterinsel war früher also Heimat eines artenreichen Waldes.
    Viele dieser 21 Arten, die neben der Palme auf der Osterinsel verschwunden sind, waren für ihre Bewohner sicher von großem Wert. Zwei besonders große Bäume, die bis zu 30 Meter hohe Alphitonia cf. zizyphoides und Elaeocarpus cf. rarotongensis mit einer Höhe von 15 Metern dienen an anderen Stellen Polynesiens zum Bau von Kanus und eigneten sich zu diesem Zweck sicher viel besser als die Palme. Seile stellen die Polynesier auf anderen Inseln aus der Rinde des Hauhau (Triumfetta semitriloba) her, und vermutlich wurden auch die Statuen auf der Osterinsel mit solchen Tauen vorwärts gezogen. Die Rinde des Papiermaulbeerbaumes Broussonetia papyrifera wird zu Tapa-Stoff flach geklopft; Psydrax odorata hat einen geraden, biegsamen Stamm, der sich gut für Harpunen und Bootsausleger eignet; der Malayapfelbaum Syzygium malaccense trägt essbare Früchte; das Rosengewächs Thespesia populanea und mindestens acht weitere Arten haben ein hartes Holz, das sich für Schnitzereien und als Baumaterial eignet; Toromiro liefert wie Akazie und Süßhülsenbaum ausgezeichnetes Feuerholz; Orliac entdeckte alle diese Arten als verkohlte Fragmente und konnte damit beweisen, dass sie ebenfalls als Brennholz dienten.
    Der Zooarchäologe David Steadman arbeitete sich durch 6433 Knochen von Vögeln und anderen Wirbeltieren, die er in Abfallhaufen aus der Frühzeit am Anakena-Strand gefunden hatte, vermutlich der Stelle, wo erstmals Menschen auf der Osterinsel an Land gegangen waren und sich niedergelassen hatten. Ich bin selbst Ornithologe und verbeuge mich voller Verwunderung vor Daves Bestimmungskünsten und der

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