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Kolonie der Genetics

Kolonie der Genetics

Titel: Kolonie der Genetics Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Bekker
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zweifelte angeblich an, dass der Heilige Krieg permanent geführt werden musste …
    Dinge, die unglaublich klangen, die aber wohl hier und da den Nerv einer Bevölkerung trafen, die gut anderthalb Jahrhunderte fortwährenden Krieg hinter sich hatte. Die Tugendwächter waren auch aus diesem Grund besonders nervös.
    Sun-Tarin empfand es nicht nur als lästig, einen derartigen Aufpasser an Bord seines Schiffes zu haben, der ihn ohne mit dem Schnabel zu schaben denunzieren würde. Nein, er musste auch fürchten, dass alles, was er bisher in der Hierarchie der Tanjaj erreicht hatte, leicht zunichte gemacht werden konnte, wenn er nicht auf der Hut war. Sun-Tarin hatte das oft genug bei Vorgesetzten erlebt. Er hatte sich vorgenommen, aus ihrem Schicksal zu lernen.
    Er wandte den Kopf. Seine falkenhaften grauen Augen sahen den Tugendwächter der SCHNABELWEISER an. »Es schmerzt mich, dass du mir eine so große Labilität in Glaubensdingen zutraust, dass du das Gespräch mit einem Heiden bereits für gefährlich hältst.«
    »Wir alle sind in Gefahr, ehrenwerter Kommandant«, sagte der Tugendwächter.
    »Ich habe dem Raisa das Leben gerettet, als ein feiger Attentäter versuchte, ihn zu töten!«
    »Daran siehst du, wie groß die Gefahr ist und wie wachsam wir alle sein müssen – vor allem in Bezug auf uns selbst!«
    »Das habe ich auch niemals bestritten!«, verteidigte sich Sun-Tarin. »Und ich habe nie zu denen gehört, die dafür plädiert hätten, den Krieg zu unterbrechen – so wie es bei dem Attentäter zweifellos der Fall war. Friedenswille ist nur die Verweigerung der Anstrengung. Jener Anstrengung, die der Glaube uns auferlegt.«
    »Ja, das ist weise gesprochen, Sun-Tarin. Und was das Attentat angeht, so hast du dir gewiss ewigen Ruhm und ewige Verdienste um das Imperium und um den Glauben erworben.«
    Gut, dies aus deinem Munde zu hören! , dachte der Kommandant, denn ansonsten hatte er vom Tugendwächter eigentlich kaum je irgendwelche schmeichelhaften Dinge zu hören bekommen. Die Tugendwächter tragen selbst nichts zur Errichtung der Göttlichen Ordnung bei. Liegt es da nicht in der Natur der Sache, dass sie dazu neigen, die Anstrengungen anderer herabzuwürdigen?
    Der Kridan, der sich während einer Ordensverleihung in Matlanor auf den greisen Raisa gestürzt hatte, der kaum noch in der Lage war, seinen Schnabel aus eigener Kraft zu heben, verfolgte damit vermutlich den Zweck, den Krieg zu beenden.
    Zumindest vorerst. Der Tod des Raisa zog immer eine Unterbrechung des Heiligen Krieges nach sich und erst wenn ein Nachfolger bestimmt war, konnte er wieder aufgenommen werden.
    Die Motive des Attentäters konnten vielfältig sein. Vielleicht war er ein Anhänger des geheimnisvollen Predigers aus der Damrion-Exklave. Aber selbst in den mittleren Rängen der Tanjaj gab es inzwischen Stimmen, die vor einer Überdehnung des Imperiums warnten. Der amtierende Raisa hatte ein selbst für Kridan ungewöhnlich langes Leben hinter sich und dementsprechend war auch die noch immer andauernde Expansionsphase ungewöhnlich lang gewesen. Aber gerade jetzt stand man davor, den entscheidenden Schlag gegen einen Gegner zu führen, der sich in den letzten beiden Jahrhunderten mit erschreckender Geschwindigkeit entwickelt hatte.
    Das Sternenreich der Menschheit mochte jung und vergleichsweise winzig sein. Aber wenn der Krieg jetzt unterbrochen wurde und vielleicht ein jahrzehntelanges Interregnum eintrat, während dem der Krieg nicht fortgesetzt werden konnte, dann hatte man am Ende dieser Zeit vielleicht einen Gegner, der um ein Vielfaches mächtiger geworden war.
    »Der Gläubige lebt im steten Zweifel darüber, ob er sich noch auf dem Pfad der Tugend befindet«, sagte der Tugendwächter.
    Ein Allgemeinplatz höhnte Sun-Tarin in Gedanken.
    Ein glucksender Laut entrang sich der Kehle des Tugendwächters. Dieser Laut hatte offenbar die Aufgabe, die Stimmung etwas aufzulockern. Der Tugendwächter benutzte diese weit verbreitete non-verbale Ausdrucksmöglichkeit der Kridan relativ häufig, obwohl das Glucksen mit genau dieser Bedeutung eigentlich nur auf Kridania selbst und dort genau genommen nur im Bereich um die Hauptstadt Matlanor herum verbreitet war. Aber dass das Glucksen des Tugendwächters oft nicht wirklich auflockernd wirkte, lag wohl weniger an diesen innerkridanischen kulturellen Besonderheiten, sondern daran, dass niemand wirklich glaubte, dass er es mit der Lockerheit ernst meinte.
    »Ich prüfe mich ständig«,

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