Kolonie der Genetics
militärische Ehrenbezeugung versagen, obwohl ich Ihnen durchaus meine Funktion und meinen Rang an Bord der SCHNABELWEISER mitgeteilt hatte.«
»Tut mir leid, es war nicht meine Absicht, Sie zu beleidigen!«, wehrte sich Johnson.
»Wie gesagt, es ist besser, wir setzen die Unterhaltung später fort«, erwiderte Sun-Tarin und verließ den Raum.
Sun-Tarin zog sich zur Meditation in den Tempelraum der SCHNABELWEISER zurück. Es war im Grunde nur ein Behelfstempel, dessen Wände mit Schriftzeichen verziert waren. Teile aus der Überlieferung des Ersten Raisa waren hier verewigt. Manche dieser Texte konnte man nicht auf Anhieb lesen, da sie in kunstvoll ineinander verschnörkelten Ligaturen geschrieben worden waren. Aber diese Erschwernis konnte durchaus die spirituelle Versenkung fördern, die die Nähe zu Gott und dem Plan seiner universellen Ordnung erst herzustellen vermochte. Eine Nähe, die jeder Tanjaj immer wieder zu suchen hatte. Die Gebote des Ersten Raisa forderten dies von ihm.
Das Töten von Heiden ist für die Errichtung der Göttlichen Ordnung so nötig wie Mörtel zur Errichtung eines Steinhauses , hieß es in den Schriften des Ersten Raisa. Und genau so war es während der Ausbildung zum Tanjaj, die Sun-Tarin wie alle Glaubenskrieger des Heiligen Imperiums absolviert hatte, immer wieder rezitiert worden.
Als Notwendigkeit galt auch die spirituelle Reinigung. Vor jedem Einsatz suchten kridanische Tanjaj einen Tempel auf, um ein Ritual der spirituellen Reinigung durchzuführen. Im Verlauf von länger andauernden Einsätzen musste eben der Tempelraum des jeweiligen Kriegsschiffs dafür ausreichen.
»Es ist gut, dass du dich der inneren Reinigung unterziehst«, hörte Sun-Tarin plötzlich eine Stimme hinter sich. Er brauchte sich nicht umzudrehen, um dieses sehr charakteristische Gekrächze sofort zu erkennen, das darüber hinaus noch von einem vernehmlichen Aneinanderreihen der Schnabelhälften begleitet wurde. Ein nonverbales Signal, das in diesem Fall wohl nicht allzu schwer zu interpretieren war. Es unterstrich die besondere Mischung aus eifernder Selbstgewissheit und Überheblichkeit, die diesem Sprecher nun einmal eigen war.
Der Tugendwächter! , ging es Sun-Tarin durch den Kopf. Der Schrecken des Schiffs … Nicht einmal diese Momente der inneren Einkehr scheint dieser ewige Nörgler einem zu gönnen! Oh Herr, warum strafst du die Gläubigen derart mit dieser Geißel des Imperiums?
Der Tugendwächter trat näher und setzte sich neben Sun-Tarin, wobei er ebenso wie dieser seine Vogelbeine auf eine ganz spezielle Weise ineinander verschränkte.
Dann faltete er die Krallenhände.
»Ich habe gehört, dass du ausführlich mit dem Gefangenen gesprochen hast.«
»Das ist richtig, ehrwürdiger Tugendwächter.«
»Ich hoffe, sein heidnisches Gedankengut hat deine gläubige Seele nicht in Mitleidenschaft ziehen können.«
»Mein Glauben ist durchaus gefestigt, ehrwürdiger Tugendwächter. Andernfalls hätte man mir wohl kaum diese Mission übertragen.«
»Gewiss, gewiss … Ich wollte dich nur warnen, Kommandant Sun-Tarin.«
»Warnen? Wovor?«
»Du wärst nicht der Erste, den die verwirrten Gedanken von Heiden und Ketzern in die Verdammnis ziehen und vom Pfad der Tugend abbringen.«
Interessant, dass er von Heiden und Ketzern spricht! , überlegte Sun-Tarin. Die Furcht der Tugendwächter vor den Ketzern in den eigenen Reihen war unter ihresgleichen viel ausgeprägter als diejenige vor den Heiden, die im Zweifelsfall viel zu fremdartig waren, als dass man ihre Gedanken überhaupt hätte nachvollziehen können.
Bei den Ketzern des kridanischen Glaubens aber war das etwas anderes. Immer wieder gab es Gerüchte darüber, dass solche heidnischen Gruppierungen innerhalb des Imperiums existierten. Geheimnisvolle Prediger, die behaupteten, die wahren Verkünder des göttlichen Willens zu sein. Prediger, die behaupteten, dass Priesterschaft und Tanjaj nach eigenem Gutdünken regierten und den gegenwärtig amtierenden Raisa, diesen inzwischen uralt gewordenen Stellvertreter Gottes im Universum, gar mit allen Mitteln künstlich am Leben hielten, um einen leicht zu manipulierenden Herrscher zu haben, in dessen Namen sich die eigenen Ziele wunderbar und scheinbar mit dem Segen Gottes durchsetzen ließen.
Es gab Geschichten über einen Prediger in der so genannten Damrion-Exklave, einem Gebiet, dass erst kurz vor dem ersten Kontakt mit den Menschen von den Tanjaj erobert worden war. Dieser Prediger
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