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Kolumbus' Erbe: Wie Menschen, Tiere, Pflanzen die Ozeane überquerten und die Welt von heute schufen (German Edition)

Kolumbus' Erbe: Wie Menschen, Tiere, Pflanzen die Ozeane überquerten und die Welt von heute schufen (German Edition)

Titel: Kolumbus' Erbe: Wie Menschen, Tiere, Pflanzen die Ozeane überquerten und die Welt von heute schufen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles C. Mann
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vier! – von reinem europäischem Blut auf der Insel lebten. Um die Bevölkerung der Kolonie wachsen zu lassen, ordnete die Krone an, dass jedem männlichen Europäer bei seiner Ankunft afrikanische Sklavinnen zugeteilt werden sollten, mit der Maßgabe, sich fortzupflanzen. Der Anreiz vermochte die Zahl der Migranten nicht zu steigern – das Risiko war die Sache nicht wert. Sogar Bischöfe, die vom Vatikan auf die Insel berufen wurden, verweigerten den Gehorsam. Nachdem der Posten dreiundvierzig Jahre vakant geblieben war, brachte ein neuer Bischof im Jahr 1675 endlich den Mut auf, in São Tomé zu landen. Nach zwei Monaten war er tot. «In São Tomé gibt es eine Tür, um hineinzugehen», hieß es in einem portugiesischen Lied, «aber keine, um hinauszugehen.» [575]
    Trotz des Mangels an Kolonisten entwickelte sich die Kolonie – jedenfalls eine Zeitlang. Auf der Höhe des Booms exportierte São Tomé viermal so viel Zucker wie Madeira. Rund ein Drittel der Inselfläche war mit Zuckerrohr bepflanzt, ein Großteil des Waldes zum Befeuern der Zuckermühlen abgeholzt worden. Da sich nur wenige Europäer dorthin wagten, war das Land, anders als auf Madeira, nicht in kleine Parzellen zerstückelt worden. Stattdessen hatte man São Tomé in einige Dutzend große Plantagen unterteilt, auf denen jeweils mehrere hundert Sklaven beschäftigt waren. Aus der Ferne sahen die Anwesen wie winzige Städte aus, wobei die Sklavenhütten sich wie Vororte um die «großen» Fachwerkhäuser der Plantagenverwalter und ihrer Familie drängten, von denen viele die ethnisch gemischten Resultate des kostenlosen Konkubinensystems waren. Die Besitzer selbst blieben in Portugal, wenn sie konnten. Mit ihren winzigen, vom Fieber gebeutelten europäischen Populationen, die Tausende von angeketteten Arbeitern beaufsichtigten, waren São Tomé und Príncipe die Vorläufer des oben beschriebenen
extractive state
. [576]
    Ein Überangebot an Zucker durch die neuen Plantagen in Brasilien verdrängte in den 1560 er und 1570 er Jahren Madeira und São Tomé vom Markt. Allerdings hatten die beiden Inseln ganz unterschiedliche Schicksale. Man hatte seit langem bemerkt, dass Madeira von Malaria und Gelbfieber verschont geblieben war, obwohl die Forscher erst im letzten Jahrhundert die Ursache entdeckten: Dort existieren keine Vektoren für die Krankheiten. Da kein Fieber zu befürchten war, hatten sich wohlhabende Europäer, auch viele Nichtportugiesen, auf der warmen Insel angesiedelt. Rund um ihre Herrensitze und Paläste errichteten sie Kathedralen, Krankenhäuser, Klöster, Schulen und Zollhäuser – heute Touristenattraktionen, damals lohnende Investitionen. Die Bauernhöfe selbst waren keine Monokulturen, das heißt, nur einer einzigen Pflanze gewidmet, denn sie mussten ihre Besitzer und deren Nachbarn ernähren. Als der Zuckermarkt einbrach, widerstrebte es den Zuckerbaronen, ihre Häuser, Felder und Nachbarschaften aufzugeben, in die sie so viel investiert hatten. Stattdessen wandten sie sich einem neu entwickelten Produkt zu: dem mit Branntwein angereicherten, wärmebehandelten Wein, der heute Madeira heißt. [577]
    Für die Weinherstellung, bei der naturgemäß mehr Wert auf Qualität als auf Quantität gelegt wird, eignet sich Plantagensklaverei kaum. 1552 , auf dem Höhepunkt der Zuckerära Madeiras, waren drei von zehn Einwohnern Sklaven; vier Jahrzehnte später, als der brasilianische Zucker wie eine weiße Flut über den Atlantik kam, war es nur noch einer von zwanzig. Nach und nach ließen die Madeirer ihre Sklaven frei; da sie nicht mehr für den Zuckerrohranbau gebraucht wurden, war das billiger, als sie zu ernähren. Die Exsklaven, die keine Möglichkeit hatten, die Insel zu verlassen, arbeiteten als Pächter für ihre ehemaligen Halter, die jetzt Weinpressen und Keller bauten. Ständig vom Hunger bedroht, überlebten die freigelassenen Sklaven – wie die Hüttenbewohner in den chinesischen Bergen auf der anderen Seite des Globus – vorwiegend von Süßkartoffeln. Aber sie überlebten; Madeira blieb dicht besiedelt. Ende des 19 . Jahrhunderts wurde die Insel in Fremdenführern als Touristenattraktion gepriesen: ein Mekka «für Menschen, die sich von gefährlichen Krankheiten, Malariafieber etc. erholen und ruhebedürftig sind». [578]
    Niemand wäre auf die Idee gekommen, São Tomé als Ort der Erholung und Gesundung für Malariakranke zu rühmen. Im Übrigen brach die Wirtschaft der Insel schon vor der Flut des

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