Kolumbus' Erbe: Wie Menschen, Tiere, Pflanzen die Ozeane überquerten und die Welt von heute schufen (German Edition)
viereinhalb Meter breit; an seinen Wandteppichen vorbeizuschlendern gehörte zu den Lieblingsbeschäftigungen des Konquistadoren, der sich, angetan mit brokatbestickten Samtjacken und perlenbesetzten Morgenmänteln, als eine Art Dandy gerierte. [581]
Nachdem er sein Land in Besitz genommen hatte, widmete sich Cortés mit der ihm eigenen Energie einer Reihe unternehmerischer Projekte: Silberminen, Rinder- und Schweinefarmen, dem Goldwaschen, einer Schiffswerft an der Pazifikküste, einer Art Einkaufspassage im Zentrum von Mexico City, dem Anbau von Mais, Bohnen und Garridos Weizen, dem Verleih von Geld, Waren, Nutztieren und Sklaven an Unternehmer und Abenteurer gegen Gewinnbeteiligung, der Einfuhr von Seidenraupen – und Maulbeerbäumen, um sie zu ernähren – und der Errichtung großer Steinbauten als Denkmäler seiner selbst. Aber ganz oben auf seiner Agenda stand das Zuckerrohr, mit dessen Anbau er 1523 begann.
Cortés hätte Erfolg haben können mit seinen Unternehmungen, wenn er ihnen Aufmerksamkeit geschenkt hätte. Stattdessen suchte er ständig nach neuen Reichen, die er erobern konnte. Er marschierte nach Guatemala. Er plante, Schiffe nach Peru zu entsenden. Er begab sich an den Pazifik und verlor fast sein Leben, als er einen Seeweg nach China suchte. Dabei setzte er sich offen über alle Befehle hinweg. Schließlich ging ihm das Geld aus und anderen Leuten die Geduld. 1540 kehrte er nach Spanien zurück, in der Hoffnung, weitere Vergünstigungen und hohe Ämter für sich und seine Freunde zu erwirken. Cortés folgte dem Kaiser von Ort zu Ort, immer um eine Audienz bemüht. Karl V. weigerte sich, ihn zu empfangen. Der untröstliche Konquistador begriff nicht, dass der Souverän sich scheute, eine mächtige neue Aristokratie aus unzuverlässigen, impulsiven Tatmenschen zu etablieren. Es gibt eine Geschichte, die von Voltaire stammt, aber sicherlich unverbürgt ist: Einmal habe Cortés sich rücksichtslos den Weg zur Kutsche des Kaisers gebahnt, woraufhin Karl ihn verärgert gefragt haben soll, wer er sei. «Der Mann», soll Cortés gesagt haben, «der Euch mehr Länder gegeben hat, als Eure Vorfahren Euch Städte hinterlassen haben.» [582]
Der Zeitpunkt war denkbar schlecht gewählt. Während der Konquistador dem Hof folgte, sprach der Kaiser mit Bartolomé de Las Casas, einem leidenschaftlichen Dominikanerpriester, der gerade eine glühende Anklageschrift verfasst hatte:
Brevísima relación de la destrucción de las Indias occidentales
, den
Kurzgefassten Bericht von der Verwüstung der Westindischen Länder
. Diese Verurteilung des spanischen Vorgehens auf dem amerikanischen Kontinent ist ein «J’accuse» und noch heute ein leuchtendes Beispiel in der Geschichte der Bürgerrechtskämpfe. In seinem ersten Entwurf, den er vor dem schockierten Hof verlas, schrieb Las Casas in Hinblick auf die Eroberung Mexikos, dort seien «alle Ruchlosigkeiten, Ungerechtigkeiten, Gewaltakte und Tyranneien, die von den Christen in Westindien verübt wurden, über jedes Maß angewachsen und zu ihrem Höhepunkt gelangt». Die Versklavung der Indianer geschah nach seinen Worten «unter unglaublichen Entbehrungen und Qualen, die größer sind und länger dauern als die, die man ihnen bereitet, wenn man sie mit dem Schwert erschlägt». Entsetzt von Las Casas’ schaurigen Beschreibungen der im Namen Spaniens begangenen Grausamkeiten, hatte Karl V. die Cortés, die Ständeversammlungen, beauftragt, die Politik Spaniens gegenüber den Indianern zu untersuchen. [583]
Wie der Kaiser sicherlich wusste, war das Bemühen der spanischen Monarchie, ihre Indiopolitik zu definieren, älter als er selbst. Seine Großeltern König Ferdinand und Königin Isabella waren verblüfft gewesen, als Colón ihnen mitgeteilt hatte, sie würden jetzt über eine Vielzahl von Völkern herrschen, von deren Existenz niemand etwas geahnt hatte. Die Monarchen, fromme Christen, fragten sich besorgt, wie sich die Konquista vor Gott rechtfertigen lasse. Colóns neue Länder konnten Spaniens Wohlstand mehren, was sie natürlich außerordentlich begrüßten. Doch um an die Reichtümer Amerikas zu kommen, mussten sie Menschen unterdrücken, die sich Spanien gegenüber nichts hatten zuschulden kommen lassen.
Nach Ansicht von Ferdinand und Isabella waren die westindischen Gebiete nicht zu vergleichen mit den islamischen Ländern, mit denen sie und ihre königlichen Vorfahren seit Jahrhunderten Krieg führten. Muslimische Soldaten zu versklaven schien
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