Kolumbus' Erbe: Wie Menschen, Tiere, Pflanzen die Ozeane überquerten und die Welt von heute schufen (German Edition)
brasilianischen Zuckers zusammen. Doch anders als Madeira gelang es São Tomé nicht, sich anzupassen und zu erholen – die Pflanzer machten, ungeachtet des unaufhaltsamen Abstiegs, einfach weiter wie bisher. Da die auf dem europäischen Festland lebenden Großgrundbesitzer kein Interesse daran hatten, irgendwelche Ortschaften oder Nachbarschaften zu erhalten, begnügten sie sich damit, ihre afroeuropäischen Verwalter in den verfallenden Haziendas zu kontrollieren, während diese halbherzig versuchten, den Betrieb aufrechtzuerhalten, indem sie Nahrungsmittel für vorbeikommende Sklavenschiffe anbauten. Andere Plantagenbesitzer versuchten ihr Glück einfach in Brasilien und überließen ihren Besitz auf São Tomé sich selbst. Einige ehemalige Aufseher erwarben Land und kauften Sklaven, um es zu bestellen. Genauso verfuhren manche Exsklaven. Mitte des 18 . Jahrhunderts waren São Tomés Kolonialherren durch eine neue Elite von «Kreolen» ersetzt worden, die von den Kindern der Portugiesen und den ersten freigelassenen Sklaven abstammten – oder es zumindest behaupteten. Doch die neuen Besitzverhältnisse änderten nichts an den Plantagen selbst. Obwohl es kaum etwas zu verkaufen und nur wenige Kunden gab, kämpften diese maroden Betriebe weiter um ihr Überleben. Von Peitschen schwingenden Aufsehern angetrieben, bestellten Sklaven das Land, während die ehemaligen Zuckerrohrfelder vom Wald überwuchert wurden und die Trümmer der zerfallenden Kolonialbauten in den Hafen rutschten.
Widerstand war eine ständige Begleiterscheinung. Für die Sklaven spielte es keine Rolle, ob sie Portugiesen, Afroportugiesen oder Afrikanern gehörten; sie liefen davon, wenn sie konnten. In den Wäldern schlossen sie sich zu bewaffneten Banden zusammen. Um sich gegen diese Angriffe zu wehren, bauten die Landbesitzer hölzerne Forts, die sie mit bewaffneten Sklaven besetzten. Nach der Häufigkeit erfolgreicher Angriffe zu urteilen, nahmen die Wachen ihre Aufgabe selten ernst. Bei einem Aufstand im Jahr 1595 zerstörten etwa 5000 Sklaven dreißig Zuckermühlen. Dieses Vernichtungswerk war so verständlich wie sinnlos; die Mühlen wurden sowieso stillgelegt. In einem blutigen Gleichgewicht der Kräfte setzte sich der Guerillakrieg zwischen Plantagenbetreibern und geflohenen Sklaven noch fast zweihundert Jahre fort. [579]
Schließlich versuchten sich São Tomés Pflanzer im Anbau von Kakao aus Brasilien und Kaffee vom anderen Ende Afrikas. Diese Kulturen wurden so einträglich, dass sie mehrere hundert Portugiesen auf die Insel zurücklockten, die den Kreolen das Land und die Sklaven wegnahmen. Anfang des 20 . Jahrhunderts bedeckten Kakao und Kaffee fast jeden Quadratzentimeter der landwirtschaftlichen Nutzfläche. Obwohl die Sklaverei gesetzlich schon lange abgeschafft war, praktizierte Portugal sie faktisch weiter, indem es in seinen afrikanischen Kolonien Sondersteuern erhob. Wer die Abgaben nicht zahlen konnte, wurde nach São Tomé verschifft, wo er seine Schulden abarbeiten musste – praktisch als Sklave, der nachts in einer baufälligen Hütte auf der Plantage eingeschlossen wurde. Als andere Länder in das Schokoladengeschäft einstiegen und die Produktionsmethoden verbesserten, wurden die veralteten Kakaoplantagen auf der Insel immer unwirtschaftlicher. In den 1950 er Jahren bildete sich eine Unabhängigkeitsbewegung, deren vordringliches Ziel die Abschaffung des Plantagensystems war. Als sich Portugal 1975 zurückzog, war das Land eines der ärmsten der Erde. Die neue Regierung verstaatlichte die Pflanzungen. Sie fasste sie zu fünfzehn Superplantagen zusammen und bewirtschaftete sie fast genauso wie vorher. [580]
Das war das System, das über den Atlantik auf den amerikanischen Kontinent gelangte.
Geburt einer neuen Welt
Wie Juan Garrido starb Hernán Cortés als enttäuschter Mann. Nachdem er den Dreibund unterworfen hatte, erhielt er einen Adelstitel – Marqués del Valle de Oaxaca (Markgraf des Tals von Oaxaca) – und durfte sich in den von ihm eroberten Gebieten Ländereien aussuchen. Er wählte sechs ausgedehnte Flächen in Zentral- und Südmexiko – insgesamt 20 000 Quadratkilometer, ein Gebiet so groß wie Israel. Auf dem größten Territorium – 5700 Quadratkilometer in gemäßigtem Klima südlich von Mexico City – erbaute er sein burgähnliches Herrenhaus, umgeben von einer dicken Mauer. Die opulent ausgestattete Residenz enthielt nicht weniger als zweiundzwanzig Gobelins, jeder mindestens
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