Kolumbus' Erbe: Wie Menschen, Tiere, Pflanzen die Ozeane überquerten und die Welt von heute schufen (German Edition)
trampelten so viele Eselherden durch die Kornfelder, dass die Regierung, wie ein zeitgenössischer Historiker berichtete, «alle Einwohner und Hunde der Insel zusammenrief, um in gemeinsamer Anstrengung die Esel zu vernichten». Es folgte ein blutiges Eselmassaker. [569]
Nachdem die Portugiesen auf Porto Santo das Kaninchenfiasko angerichtet hatten, verursachten sie auf Madeira eine noch schlimmere Umweltkatastrophe. Anders als die relativ offene Insel Porto Santo war Madeira mit dichtem Wald bedeckt – sein Name ist das portugiesische Wort für «Holz». Um das Land bebauen zu können, musste ein Teil des Waldes entfernt werden. Die Ankömmlinge wählten die einfachste Methode: Feuer. Natürlich ließ sich der Brand nicht eindämmen und erfasste einen Großteil der Insel. Die Portugiesen flohen ins Meer, wo sie zwei Tage bis zum Hals im Wasser standen, während die Flammen über ihren Köpfen tobten. Angeblich brannte das Feuer unterirdisch noch sieben Jahre lang, indem es sich in die Wurzeln fraß. [570] Die Siedler pflanzten Weizen und exportierten die Ernte nach Portugal. Erst in den 1440 er Jahren erkannten sie, dass das warme Klima der Insel noch besser für eine andere, einträglichere Nutzpflanze geeignet war: Zuckerrohr.
Meteorologisch war Madeira ein idealer Ort für dessen Anbau. Geographisch war es eine Herausforderung. Die Insel hat wenig Terrain, das eben genug ist für die Landwirtschaft, und der größte Teil dieser Flächen liegt auf drei hohen, unzugänglichen «Schultern» rund um die beiden größten Vulkangipfel der Insel, von denen der höhere mehr als 1800 Meter emporragt. An anderen Stellen ist das Gelände so steil, dass die Rinder teilweise in kleinen stallartigen Koppeln gehalten werden, aus Furcht, sie könnten sich zu Tode stürzen, was Madeira in Fremdenführern den Ruf als «die Insel der traurigen Kühe» eingebracht hat.
Die ersten Siedler teilten den größten Teil des Landes untereinander auf. Wer später kam, musste entweder Land pachten oder Terrassen auf ungenutzten Flächen anlegen. In beiden Fällen galt es, das Wasser von den Gipfeln auf die Felder zu leiten, wozu ein weit verzweigtes Netz von Tunneln und Leitungen erforderlich war, die sich durch die steinigen Hügel wanden. Trotz der Widrigkeiten war der Zucker ein Bombengeschäft. Nach Auskunft von Alberto Vieira, dem bekanntesten zeitgenössischen Historiker der Insel, wuchs die Produktion zwischen 1472 und 1493 um einen Faktor von mehr als tausend an. Wie nicht anders zu erwarten, fielen die Preise. Pflanzer, die bis dahin riesige Gewinne gemacht hatten, sahen ihre Profite plötzlich gefährdet. Die einzige Möglichkeit, die Einkünfte zu retten, war eine Produktionssteigerung: neue Terrassen anzulegen, Bewässerungsgräben auszuheben und neue Mühlen zu bauen. [571] Für das Schneiden des Rohrs, die Gewinnung des Saftes, das Zuckersieden und die Verschiffung des kristallinen Produkts verlangten die Plantagenbesitzer nach neuen Arbeitern – und zwar sofort. Offenbar ohne lange nachzudenken, trafen einige Kolonisten eine schicksalhafte Entscheidung: Sie kauften Sklaven.
In gewissem Sinne war das nichts Neues; Sklaverei gab es seit römischen Zeiten auf der Iberischen Halbinsel. Zuerst hatte man viele Sklaven aus slawischen Ländern geholt – daher auch das Wort «Sklave» –, doch in den folgenden Jahrhunderten wurden sie zunehmend durch gefangene muslimische Soldaten ersetzt. Im Allgemeinen arbeiteten sie als Hausangestellte und wurden weitgehend wie andere Bedienstete behandelt; laut Antonio Domínguez Ortiz, Historiker der Universität von Granada, war ihr Hauptzweck jedoch, als «Luxusartikel» zu dienen, soll heißen, als Statussymbole. Sklaven waren lebende, atmende Zeugnisse für Reichtum und Rang ihrer Besitzer. Wer in der Lage war, einen gefangenen Muslim oder Afrikaner zu rufen, um Wein einschenken zu lassen, zeigte damit, dass er wichtig genug war, um einen exotischen Menschen zu besitzen. Das System war nicht wirklich menschenfreundlich, ließ aber genügend Freiräume, um Mord, Auflehnung, Meuterei und all die anderen Probleme der Sklavenarbeit zu vermeiden, auf die Adam Smith hingewiesen hat. Beispielsweise durften viele Sklaven Geld verdienen, mit dem sie sich auf monatlicher Basis Freiheit erkaufen konnten. Häufig führte das zu ihrer Freilassung. Domínguez Ortiz hat die Vermutung geäußert, dass die iberische Sklavenhaltung, sich selbst überlassen, zu einem System geworden wäre, in dem die
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