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Kolumbus' Erbe: Wie Menschen, Tiere, Pflanzen die Ozeane überquerten und die Welt von heute schufen (German Edition)

Kolumbus' Erbe: Wie Menschen, Tiere, Pflanzen die Ozeane überquerten und die Welt von heute schufen (German Edition)

Titel: Kolumbus' Erbe: Wie Menschen, Tiere, Pflanzen die Ozeane überquerten und die Welt von heute schufen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles C. Mann
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mit multiethnischen Wurzeln Einschränkungen aufzuerlegen: Sie durften keine Waffen tragen, nicht Priester werden, keine angesehenen Handwerksberufe wie den des Seidenherstellers, des Handschuh- oder Nadelmachers ausüben und nicht im Staatsdienst tätig sein. Ein spanischer Schlachter, der mit falschen Gewichten seine Kunden betrog, bekam eine Geldstrafe von zwanzig Peso. Ein Schlachter mit indianischem Blut, der sich des gleichen Vergehens schuldig machte, hatte mit hundert Peitschenhieben zu rechnen. Männer und Frauen afrikanischer Herkunft durften sich ab 20  Uhr nicht mehr in der Öffentlichkeit zeigen und keine Gruppen von mehr als vier Personen bilden. Außerdem hatten sie jedes Jahr eine besondere Abgabe zu zahlen – eine Art Erbsündesteuer. Indianisch-europäischen Frauen war indianische Kleidung verboten. Afroeuropäischen Frauen war es untersagt, spanischen Goldschmuck oder die eleganten Mantas, reich bestickte Umhänge, zu tragen. Und so fort – eine Fülle von kleinlichen Vorschriften, teils aus Bosheit, teils aus Angst erlassen, spitzfindige, bürokratische Schikanen der Spanier gegen ihre aufsässige Nachkommenschaft.
    Mit der Verschärfung der Einschränkungen nahm auch die Furcht vor den derart Eingeschränkten zu, was wiederum zu noch mehr Einschränkungen und noch mehr Furcht führte. Der Klerus vertrat nun die Ansicht, die Indianer seien doch nicht unschuldig – vielmehr trügen sie, wie die Juden, den Makel ihres einstigen unchristlichen Glaubens in sich. Vielleicht stammten sie ja tatsächlich von Juden ab – den verlorenen Stämmen Israels! Vielleicht waren ja einige von ihnen – wie manche ehemalige Juden auf der Iberischen Halbinsel – nicht wirklich zum Christentum übergetreten. Womöglich hatten sie sich mit den Afrikanern verbündet, um die Christen anzugreifen. Neuspanien sei, so stellte der Augustinermönch Nicolas de Witte 1552 fest, «voller
mestizos
, die mit verderblichen Neigungen [geboren werden]. Es ist voller schwarzer Männer und Frauen, die von Sklaven abstammen. Es ist voller schwarzer Männer, die indianische Frauen heiraten – Verbindungen, aus denen
mulattos
hervorgehen. Und es ist voller
mestizos
, die Indianerfrauen heiraten, was zu unzähligen
castas
führt, und aus allen diesen Mischungen entstehen weitere und nicht sehr gute Mischungen.»
    Mestizo
und
mulatto
wurden Schlüsselbegriffe in dem komplizierten Klassifikationschema, das als
casta
-System bezeichnet wurde. Auf Reichsebene niemals offiziell kodifiziert, aber anerkannt in Hunderten von separaten, lokalen Kirchenvorschriften und Zunftregeln, war das
casta-
System ein Versuch, die Völker Neuspaniens nach ihrem moralischen und religiösen Wert einzuordnen – ein Wert, der untrennbar mit ihrer Abstammung verknüpft war. Jede Gruppe hatte eine grundlegende, unveränderliche Natur, die sie auf eine bestimmte, vorhersagbare Weise zu Menschen außerhalb der Gruppe in Beziehung setzte. Ein
mulatto
(Afroeuropäer) unterschied sich von einem
mestizo
(indianisch-europäisch) und der wiederum von einem
zambo
(Afroindianer) – der Begriff stammt, wenig schmeichelhaft, von
zambaigo
, x-beinig. Hatte eine Spanierin ein Kind mit einem
mestizo
, war das ein
castizo
, mit einem
mulatto
, war es ein
morisco
(seltsamerweise ein «Maure»). [615] Im Laufe der Zeit wurden die Klassifikationen immer barocker, detailversessener und absurder:
coyote
,
lobo
(Wolf),
albino
,
cambujo
(dunkelhäutig),
albarazado
(weiß gefleckt),
barcino
(sozusagen das Gegenteil: farbig gefleckt),
tente en el aire
(in der Luft schwebend),
no to entiendo
(ich verstehe dich nicht). [42]   [616]
    Allerdings zeigte das System eine ganz andere Wirkung, als die Behörden beabsichtigt hatten. Statt sich mit den sozialen Schubladen abzufinden, in die sie gesteckt wurden, versuchten die Menschen, ihre Situation mit diesen Kategorien zu verbessern, indem sie sich die Identitäten aussuchten, die für sie am günstigsten waren. Der halb indianische Sohn des Konquistadoren Diego Muñoz heiratete eine indigene Adlige; sein Sohn, der theoretisch als
coyote
einzuordnen gewesen wäre, wurde zum Indianer erklärt, woraufhin er, obwohl Enkel eines Spaniers, «indianischer Gouverneur» im östlich von Mexico City gelegenen Tlaxcala wurde. Andere Indios behaupteten Afrikaner zu sein – Sklaven zahlten weniger Steuern, und die Indianer sahen nicht ein, dass sie höhere Abgaben entrichten sollten. Von den Verwaltungsbeamten vor Ort wurde erwartet, dass

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