Kolumbus' Erbe: Wie Menschen, Tiere, Pflanzen die Ozeane überquerten und die Welt von heute schufen (German Edition)
berühmt wurde. Das Mogulreich war eine muslimische Dynastie, und Mirras Familie, mit der Kaiserfamilie offenbar entfernt verwandt, war ebenfalls muslimisch. Mirras / Catarinas Biografen behaupten, sie habe mit der Großfamilie des Kaisers in einem Palast am Fluss gelebt und ihre Eltern hätten mit dem Christentum sympathisiert. Eine Behauptung, die nicht unwahrscheinlich ist. Der damalige Herrscher Akbar wurde für seine Toleranz gerühmt; Jesuiten, die an seinem Hof willkommen waren, bekehrten einige hochrangige Höflinge zum Christentum. Bildnisse von christlichen Heiligen waren keine Seltenheit in den kaiserlichen Gärten noch Skulpturensammlungen oder Grabmäler – sie wurden als Symbole für Akbars göttlich inspirierte Herrschaft begriffen.
Alles änderte sich, als Mirra sieben war. Portugiesische Seeräuber kaperten ein Schiff mit Mogulpilgern, die auf dem Weg nach Mekka waren. Diesen Angriff wertete Akbar als vorsätzlichen, religiös motivierten Übergriff, warf die Jesuiten hinaus und begann, die Christen zu verfolgen. Mirras Eltern, von diesen Maßnahmen betroffen, zogen an die Küste – möglicherweise nach Surat am Arabischen Meer, wo es eine große europäische Gemeinde gab. Leider hatte Surat auch ein massives Piratenproblem. Laut einem Biografen Mirras, der behauptete, er habe die Geschichte von ihr selbst, wurde sie von Piraten, die sich als portugiesische Kaufleute verkleidet hatten, am Strand entführt und nach Kochi (Cochin), an der Südspitze Indiens, verschleppt. Dort sei sie getauft worden. Eigentlich durften Christen nicht von anderen Christen versklavt werden, aber die Piraten nahmen den Jesuiten das Mädchen wieder fort. Auf See wurde es mehrfach geschändet, bevor man es in Manila an Land brachte, wo ein Kapitän aus Puebla Mirra erwarb. [620]
In Mexiko vertiefte sich das Mädchen, das jetzt Catarina hieß, noch inbrünstiger und asketischer in seinen Glauben, zog sich in eine Zelle zurück, trank wenig und aß noch weniger, wand sich Riemen, die mit scharfen Metallstiften besetzt waren, um die Glieder und lehnte jede Andeutung auf geschlechtlichen Kontakt ab – einmal verlangte sie vom nackten Christus, der ihr erschien, er möge seine Kleider wieder anlegen. Eingeschlossen in einen winzigen, kahlen Raum und bewaffnet mit geweihtem Wasser, Reliquien und dem Kreuz, kämpfte sie nächtelang mit Teufeln und Dämonen. Nach dem Bericht ihres hingebungsvollsten Chronisten, des Jesuitenpaters Alonso Ramos, den Catarina als Beichtvater gewählt hatte, wurde sie von Visionen heimgesucht. Sie sah, wie sich die Hostie in einen Stern verwandelte, der überirdische Strahlen in ihren Mund sandte. Sie sah die Seele der Himmelskönigin in einem feurigen Strahlenkranz aufsteigen, zwölf Lichter wie ein Diadem auf ihrem Haupt. Sie sah die Gewölbe der Kirche explodieren und das Dach aufbrechen, sodass der Blick frei wurde auf eine schwebende, magische Tafel, die mit Blumen und glänzendem Goldschmuck bedeckt war für ein Festmahl, an dem der Heiland selbst teilnahm. Sie sah eine Treppe aus «zarten, schimmernden Wolken», auf der die Seelen in den Himmel stiegen, und sie sah, wie sich ihre Gebete in Engel und Blumen verwandelten und auf alles und jeden niederregneten. [621]
Ramos erzählte diese Geschehnisse in drei überdimensionierten Bänden, die 1689 , 1690 und 1692 erschienen – das umfangreichste Werk, das je in Neuspanien veröffentlicht wurde. Vier Jahre später verdammte die Inquisition alle drei als «nutzlos, unwahrscheinlich, voller Widersprüche und … unbesonnene Lehren». Ramos wurde aus seinem Amt als Rektor des Jesuitenkollegs in Puebla entfernt und in eine Zelle gesperrt. Er war bereits Alkoholiker und scheint in der Gefangenschaft wahnsinnig geworden sein. Nach seiner Flucht versuchte er, seinen Nachfolger, den neuen Rektor, zu ermorden, und starb in Vergessenheit. [622]
Auch Catarina de San Juan war fast vergessen. Genauso wie die Asiaten, die ihr auf dem amerikanischen Kontinent vorausgegangen waren und nachfolgten – 50 000 bis 100 000 laut Edward R. Slack, einem Historiker von der Eastern Washington University. Sie kamen mit dem Galeonenhandel: Seeleute, Diener und Sklaven, die in Acapulco von Bord gingen und sich über Neuspanien verteilten. Anfang des 17 . Jahrhunderts bauten Asiaten – Filipinos, Fujianesen und Filipinofujianesen – Schiffe in der Bucht von Manila. Als die Spanier sich scheuten, die lange, strapaziöse Reise übers Meer anzutreten, nahmen
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