Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kolumbus' Erbe: Wie Menschen, Tiere, Pflanzen die Ozeane überquerten und die Welt von heute schufen (German Edition)

Kolumbus' Erbe: Wie Menschen, Tiere, Pflanzen die Ozeane überquerten und die Welt von heute schufen (German Edition)

Titel: Kolumbus' Erbe: Wie Menschen, Tiere, Pflanzen die Ozeane überquerten und die Welt von heute schufen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles C. Mann
Vom Netzwerk:
Puebla besuchte, beklagten sie, das Land müsse sich gegen eine Flut von Fälschungen aus China wehren – das wäre dann die chinesische Imitation einer von Chinesen in Mexiko hergestellten Imitation eines chinesischen Originals. [629]
    Größer noch war die asiatische Gemeinde in Mexico City – die erste echte Chinatown auf dem amerikanischen Kontinent. Sie gruppierte sich um einen asiatischen Markt unter einem Zeltdach auf der Plaza Mayor, dem großen zentralen Platz der Stadt, der über dem Zentrum des alten Tenochtitlan angelegt worden war. Der Marktplatz hieß Parián, nach dem asiatischen Getto in Manila. In einem babylonischen Sprachgewirr wetteiferten chinesische Schneider, Schuster, Schlachter, Sticker, Musiker und Schreiber mit afrikanischen, indianischen und spanischen Ladenbesitzern um die Gunst der Kunden. Beunruhigend für die kolonialen Autoritäten war der Umstand, dass chinesische Goldschmiede die europäischen Goldschmiede aus dem Geschäft drängten: «Die Menschen aus China, die zu Christen bekehrt werden und jedes Jahr herüberkommen, haben die Spanier in diesem Gewerbe überflügelt», beklagte ein Dominikanermönch in den 1620 er Jahren.
    Der chinesische Künstler Esteban Sampzon kam mit dem Galeonenhandel von Manila über den Pazifik und wurde Ende des 18 . Jahrhunderts einer der angesehensten Bildhauer von Buenos Aires. Der
Christus in Demut und Geduld
(um 1790 ) mit seinem Antlitz voller Empfindsamkeit schmückt noch immer die Basílica de Nuestra Señora de la Merced in Buenos Aires.
    Die spanischen Goldschmiede nahmen den Rückgang ihrer Geschäfte offenbar gelassen hin. Anders die spanischen Bader. Damals war ein Bader sowohl für die Frisur und den Bart seiner Kunden als auch für einfache medizinische und zahnmedizinische Dienstleistungen zuständig. Rund zweihundert
chino
-Bader ließen sich auf der Plaza Mayor nieder und behandelten alle möglichen Krankheiten mit einer Mischung aus östlichen und westlichen Techniken: Kauterisation und Akupunktur, Aderlass und chinesische Kräutermedizin. Wohlhabende Frauen kamen in Scharen zu ihren Ständen. Das war nicht nur eine esoterische Laune – die chinesische Zahnheilkunde war die am weitesten fortgeschrittene der Welt. Während der Tang-Dynastie hatten chinesische Gelehrte in Peking erkannt, dass sich Parodontose verhindern ließ, indem man den Zahnbelag abkratzte. Blutungen behandelten sie mit Breiumschlägen aus Wurzeln und Kräutern, die, wie die neuere Forschung gezeigt hat, antibakterielle und entzündungshemmende Eigenschaften haben.
    1635 richteten die spanischen Bader eine Bittschrift an den Stadtrat und baten ihn, den «Exzessen» und «Ärgernissen» der
chinos
Einhalt zu gebieten. Die Klage war kunstvoll formuliert, trotzdem ist der eigentliche Grund der Beschwerde offenkundig: Die Chinesen waren bereit, höhere Mieten für die Standplätze in der Stadtmitte zu bezahlen, selbst auf die Gefahr hin, ihre Gewinne zu schmälern, weil sie ihren Kunden auf diese Weise näher waren. Und sie nahmen lange Arbeitszeiten in Kauf, wodurch sie die europäischen Bader zwangen, genauso viel zu arbeiten. Für die Spanier lag die Lösung auf der Hand: die Chinesen aus der Stadtmitte zu vertreiben und die Öffnungszeiten zu begrenzen, damit sie nicht mehr so viel arbeiten und so geringe Einkünfte akzeptieren mussten. Sechs Monate später verbannte der Vizekönig die asiatischen Bader von der Plaza Mayor. Zu allem Überfluss beschränkte er auch noch die Zahl der Rasiermesser, die sie besitzen durften, und sorgte so dafür, dass ihre Stände nicht zu groß werden konnten.
    Trotz des Verbots erteilte die Regierung auch weiterhin Genehmigungen für
chino
-Baderstände auf der Plaza Mayor – vielleicht, so ließe sich vermuten, weil einflussreiche Kunden keine allzu weiten Wege zurücklegen wollten, um sich die Haare schneiden oder die Zähne säubern zu lassen. Wieder klagten die europäischen Bader über die Konkurrenz. 1650 setzte die Regierung einen Bader-Aufseher ein und ermächtigte ihn, empfindliche Geldstrafen für schwarz betriebene Stände zu verhängen. Ohne Erfolg: Die chinesischen Bader-Stände schossen wie Pilze aus dem Boden. 1670 nahm ein besonders eifriger spanischer Bader das Amt des Aufsehers wahr. Slack, dessen Bericht ich hier folge, fand keinen Hinweis auf Erfolg. [630]
    Das lärmende Menschengewimmel der Stadt kam nie farbiger zum Ausdruck als in seinen Festen und Feiern, etwa den Osterprozessionen. Sie wurden von

Weitere Kostenlose Bücher