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Kolumbus' Erbe: Wie Menschen, Tiere, Pflanzen die Ozeane überquerten und die Welt von heute schufen (German Edition)

Kolumbus' Erbe: Wie Menschen, Tiere, Pflanzen die Ozeane überquerten und die Welt von heute schufen (German Edition)

Titel: Kolumbus' Erbe: Wie Menschen, Tiere, Pflanzen die Ozeane überquerten und die Welt von heute schufen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles C. Mann
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gesetzliches Monopol auf den niederländischen Sklavenhandel und hatte bis zum Jahr 1800 rund 220 000  Gefangene verschickt. In Elmina, ihrem afrikanischen Hauptquartier, hielten sich selten mehr als vierhundert Europäer auf. Fünf Kilometer entfernt war Gold Coast, der größte Stützpunkt der englischen Königlich-Afrikanischen Gesellschaft, die ein entsprechendes gesetzliches Monopol auf den englischen Sklavenhandel hatte. Von ihren Hafenanlagen wurden Zehntausende angekettete Männer, Frauen und Kinder verschifft. Doch die Goldküste hatte keine hundert ausländischen Bewohner. Auf den europäischen Karten des 17 . und 18 . Jahrhunderts ist stolz verzeichnet, dass die afrikanische Atlantikküste übersät war mit dänischen, niederländischen, englischen, französischen, portugiesischen, spanischen und schwedischen Festungen, Garnisonen und Handelsposten. Doch die meisten Sterne auf der Karte standen für zehn Bewohner, und viele hatten noch nicht einmal fünf Vertreter ihres Landes vorzuweisen. Das Fürstentum Whydah, im heutigen Benin gelegen, exportierte im ersten Viertel des 18 . Jahrhunderts 400 000  Menschen und war damals der wichtigste Umschlagplatz des atlantischen Sklavenhandels. Dort hatten noch nicht einmal hundert Europäer ihren dauerhaften Wohnsitz. Die größte Gruppe von Ausländern stellten die Sklavenhändler, die am Strand kampierten, während sie warteten, dass sich ihre Schiffe mit der menschlichen Fracht füllten. [655]
    Doch diese winzigen Stationen wirkten als Katalysatoren für eine enorme Veränderung. In der Vergangenheit hatten die meisten afrikanischen Sklavenhalter etwas über das frühere Leben ihrer Sklaven gewusst. Manchmal waren sie mit ihren Unfreien verwandt, weil sie entfernte Cousins oder angeheiratet waren; in anderen Fällen kannten sie die familiären Umstände oder tribalen Verpflichtungen, die zu ihrer Versklavung geführt hatten. Jeder Kriegsgefangene war in einem bekannten Gebiet, einem bekannten Konflikt gefasst worden. Die Besitzsklaverei dagegen, wie sie auf den kolonialen Plantagen praktiziert wurde, anonymisierte die Sklaven – das heißt, sie waren etwas, was man in einem Laden kaufte, was man allein nach seinen physischen Merkmalen aussuchte wie eine Dose Suppe. In den Geschäftsbüchern bezeichnen Sklavenhändler ihre menschliche Fracht als «Stücke», ein verräterischer Ausdruck. Europäische Sklavenhalter bekamen ihren menschlichen Besitz noch nicht einmal zu Gesicht; vor Tropenkrankheiten geschützt, saßen sie Tausende von Kilometern entfernt in London, Paris und Lissabon. Wenn sie die Produktion von Zucker oder Tabak erhöhen wollten, liehen sie sich Geld von ebenso weit entfernten Finanziers und schickten schriftliche Anweisungen zum Kauf von soundso vielen «Stücken» für soundso viel Geld. Diese Veränderung war den Beteiligten damals nicht bewusst. Aber sie beseitigte eine Bindung, die früher – wie schwach auch immer – zwischen Sklave und Besitzer bestanden hatte. Die Gefangenen waren nicht mehr die Verwandten oder besiegten Feinde des Besitzers, sondern anonyme Arbeitseinheiten – Produktionsfaktoren und Bilanzposten, mit denen man ausschließlich nach Maßgabe ihres künftigen wirtschaftlichen Wertes verfuhr. [656]
    Die niederländischen, portugiesischen und englischen Sklavenhändler, die an der Küste entlangschipperten, wussten also kaum etwas über die Herkunft der unglücklichen Männer und Frauen auf ihren Schiffen. Die Kolonisten, die diese Fracht in den Häfen von Jamestown, Cartagena und Salvador eilig einkauften, noch weniger. Nach Auskunft von Thornton «schien nur eine Handvoll von amerikanischen Sklavenbesitzern tatsächlich gewusst zu haben … dass viele Tausend von ihnen Kriegsgefangene waren». Als die gefangenen Soldaten dann Ausbrüche und Aufstände organisierten, begriffen einige Besitzer, welch wichtige Rolle die militärische Vergangenheit ihrer Sklaven spielte. Von Anfang an hatten die amerikanischen Sklavenhalter mit dem Problem zu kämpfen, dass es sich bei ihrem Heer von Sklaven möglicherweise um ein versklavtes Heer handelte. [657]
    Auf Hispaniola kamen die ersten Sklaven vor allem aus dem vom Bürgerkrieg zerrissenen Reich der Wolof auf dem Gebiet der heutigen Staaten Senegal und Gambia. Es ist wahrscheinlich, dass viele Sklaven, die in die Karibik geschickt wurden, Kriegsgefangene waren – also Soldaten. Auf jeden Fall geht aus spanischen Dokumenten hervor, dass die erste größere Sklavenrevolte

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