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Kolumbus' Erbe: Wie Menschen, Tiere, Pflanzen die Ozeane überquerten und die Welt von heute schufen (German Edition)

Kolumbus' Erbe: Wie Menschen, Tiere, Pflanzen die Ozeane überquerten und die Welt von heute schufen (German Edition)

Titel: Kolumbus' Erbe: Wie Menschen, Tiere, Pflanzen die Ozeane überquerten und die Welt von heute schufen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles C. Mann
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auf dem amerikanischen Kontinent von Wolof geführt wurde. Das geschah am ersten Weihnachtstag des Jahres 1521 in einer Zuckermühle von Diego Colón, dem Sohn und Erben des Admirals. Rund vierzig Sklaven überfielen eine Rinderranch, brachten mehrere Weihnachten feiernde Spanier um, brannten einige Gebäude nieder und nahmen zahlreiche Gefangene, darunter ein Dutzend Indianersklaven. Colón stellte eine berittene Streitmacht auf, die die Aufrührer angriff. Die klassische Taktik von Fußsoldaten, die sich einem Kavallerieangriff gegenübersehen, besteht darin, dass sie eng zusammenrücken und mit nach außen gerichteten Lanzen einen Abwehrwall bilden – so hatte die griechische Infanterie die Schlachten von Marathon und Plataiai gewonnen. Trotz fehlender Waffen taten die Sklaven genau das, ihre Linie hielt bis zur dritten Attacke der Berittenen zusammen. Schließlich fielen die Anführer der Aufständischen. Die Überlebenden wurden gejagt und entlang der Straße gehenkt, um potenzielle Störenfriede abzuschrecken. [658]
    Damit waren die spanischen Probleme noch nicht vorbei. Selbst als die Gehenkten an ihren Seilen die Straße säumten, gründete der Taino-Führer Enriquillo ein europäerfreies Dorf in den südwestlichen Bergen. Enriquillo, ein frommer Christ, der von Franziskanermönchen unterrichtet worden war, hatte man ursprünglich in das
encomienda-
System aufgenommen. Genau wie dessen Planer gehofft hatten, schickte er seine Leute zur Arbeit im Austausch gegen Status und Handelswaren. Doch Enriquillos Treuhänder – sein
encomendero
 – war nicht gewillt, wegen seiner Arbeiter mit ihm zu verhandeln. In einem Wutanfall verging sich der
encomendero
an Enriquillos Frau und stahl ihm sein Pferd. Wutentbrannt stellte ihn der Taino zur Rede. Nach dem Bericht von Bartolomé de Las Casas, dem Fürsprecher der Indios, reagierte der
encomendero
auf Enriquillos Proteste mit der Drohung, ihn mit einem Knüppel zu schlagen. Die Prügel, so höhnte er, würden das Sprichwort
tras de cuernos, palos –
«Nach den Hörnern die Knüppel» – vervollständigen und dem Ganzen die Krone aufsetzen.
    Enriquillo setzte sich mit seiner Familie und einer Handvoll Anhänger in die Hügel ab. Entflohene Afrikaner und andere Taino schlossen sich den Aufständischen an und ließen deren Zahl auf etwa fünfhundert anwachsen. Die Maroons bauten ein verstecktes Dorf in den Hügeln, nach dem die Spanier mehr als zehn Jahre vergeblich suchten. Von den Überfällen der Flüchtlinge zermürbt, handelten die Kolonisten 1533 einen Vertrag aus. Die Spanier versprachen, sich an das
encomendero-
Gesetz zu halten und Enriquillos Status zu respektieren, wenn seine Rebellen nach Hause zurückkehrten. Enriquillo und andere Taino akzeptierten den Vertrag, nicht aber deren afrikanische Verbündete. Unter Führung eines gewissen Sebastian Lemba lehnten sie den Vorschlag ab. [659]
    «Lemba» war im Kongo ein spiritueller Zusammenschluss wohlhabender Kaufleute – eine Kombination aus Kirchengemeinde und Rotary Club. Lembas Name lässt darauf schließen, dass er ein Geschäftsmann war, der bei einer Sklavenjagd der Imbangala gefangen genommen worden war. Unter Umständen sind ihm seine Organisationsfähigkeiten in seiner Rolle als Anführer zugutegekommen, die er sogar nach Bekunden der Spanier «außerordentlich fähig» ausübte. Viel rachsüchtiger als Enriquillo es war, gliederte Lemba seine Truppen in kleine, mobile Einheiten, die sechzehn Jahre lang Zuckerplantagen und Mühlen plünderten und zerstörten. Seine Aktionen haben so viele Sklaven zur Rebellion angeregt, dass der Archidiakon von Santo Domingo 1542 behauptete, die Zahl der Guerilleros in den Hügeln sei größer als die Zahl der Spanier auf Hispaniola. Von den vierunddreißig Zuckermühlen der Insel waren nur noch zehn in Betrieb; die anderen waren von rebellischen Sklaven stillgelegt worden. Fünf Jahre nach der Klage des Archidiakons wurde Lemba von einem anderen Sklaven an die Obrigkeit verkauft – ein Mann, der seine Freiheit suchte, wurde von einem Mann verraten, der dafür die Freiheit bekam. Die Kolonisten pflanzten Lembas Kopf auf einem Spieß neben dem Haupttor Santo Domingos auf. [660]
    Auch das vermochte die Auflehnung nicht zu beenden. Warum sollte es? Die Kolonialverwaltung hatte endgültig die Kontrolle verloren. Wenige Monate nach Lembas Tod schrieben die Verantwortlichen an den spanischen Hof, die Rebellen würden keine fünfzehn Kilometer außerhalb Santo

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