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Kolumbus' Erbe: Wie Menschen, Tiere, Pflanzen die Ozeane überquerten und die Welt von heute schufen (German Edition)

Kolumbus' Erbe: Wie Menschen, Tiere, Pflanzen die Ozeane überquerten und die Welt von heute schufen (German Edition)

Titel: Kolumbus' Erbe: Wie Menschen, Tiere, Pflanzen die Ozeane überquerten und die Welt von heute schufen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles C. Mann
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Zentralafrika dagegen gehörte das Land praktisch der Regierung – manchmal persönlich dem König, manchmal einer Sippe oder einer religiösen Gemeinschaft, meistens aber dem Staat selbst, wobei der Herrscher seine Autorität in der Art eines Unternehmenschefs ausübte. Aber unabhängig von der Regierungsform, das Land konnte nicht einfach verkauft oder besteuert werden. Was verkauft oder besteuert werden konnte, war die Arbeitskraft. Könige und Kaiser, die sich bereichern wollten, strebten daher nicht danach, Land zu besetzen, sondern Menschen zu beherrschen. Napoleon schickte sein Heer aus, um Ägypten zu besetzen. Ein afrikanischer Napoleon hätte seine Soldaten die Ägypter gefangen nehmen lassen.
    Wie in großen Teilen Europas konnten auch Afrikaner zur Sklaverei verurteilt werden, wenn sie durch ein Verbrechen ihre Mitgliedschaft in der Gesellschaft verwirkten. Menschen konnten auch versklavt werden, um Schulden abzubezahlen – entweder eigene oder die ihrer engeren und weiteren Familie. Bei Trockenheit oder Überschwemmung verpfändeten sie Familienmitglieder an entfernte Verwandte oder Clanmitglieder. Manchmal verpfändeten sie auch sich selbst. Am häufigsten jedoch wurden Sklaven gemacht, indem man Soldaten über die Grenze schickte – soll heißen, durch Krieg. Im 17 . Jahrhundert war Westafrika politisch noch stärker zerstückelt als Europa. Eine Karte von Thornton zeigt, dass es mehr als sechzig verschiedene Staaten von ganz unterschiedlicher Größe gab. Wollte der Herrscher eines Landes seinen Status verbessern, fand sich immer eine nahe gelegene Grenze; daher war es nicht schwer, Plünderer auszusenden. Die Gefangenen behielt der König selbst oder ließ sie an Mittelsmänner übergeben, die sie an nordafrikanische oder europäische Kunden verkauften. [649]
    Zu Beginn des transatlantischen Sklavenhandels, als europäische Schiffe erstmals ständig an afrikanischen Küsten präsent waren, bestand der Unterschied zwischen dem europäischen und dem afrikanischen System mehr aus einem kulturellen als einem wirtschaftlichen Aspekt. Europäer konnten Arbeit kaufen und verkaufen – ein Beispiel dafür war die Praxis der Vertragsknechtschaft. Afrikaner hingegen zogen Nutzen aus ihrem Land, indem sie die Arbeit der Menschen kontrollierten, die das Land bewirtschafteten. In beiden Fällen profitierten die Besitzer am Ende von den Früchten des Landes und der Arbeit, auch wenn die Wege zu diesen Profiten verschiedene waren. In ökonomischen Begriffen: Die Europäer konnten den einen der Produktionsfaktoren – das Land – besitzen, die Afrikaner den anderen: die Arbeitskraft. Beide Systeme gaben den Besitzern das Recht, die Erträge der Arbeit oder einen Teil davon zu verlangen. Trotzdem waren sie nicht identisch. Ein großer Unterschied liegt darin, dass Arbeit von einem Ort zum anderen verlagert werden kann, Land jedoch nicht. Arbeit ist mobil – ein entscheidender Faktor für die spätere Entwicklung des Sklavenhandels.
    Da Arbeitskraft die wichtigste Eigentumsform in Westafrika war, besaßen reiche Westafrikaner naturgemäß viele Sklaven. Plantagen waren selten in dieser Region – der Boden und das Klima in den Küstengebieten Westafrikas waren im Allgemeinen nicht geeignet –, daher gab es, anders als auf den amerikanischen Zucker- oder Tabakplantagen, selten eine größere Anzahl von Sklaven auf den Feldern. Stattdessen waren Sklaven Soldaten, Diener oder Bauarbeiter, die Straßen anlegten, Zäune zogen oder Scheunen errichteten. Häufig taten sie fast gar nichts; wohlhabende, mächtige Sklavenbesitzer hielten mehr Sklaven, als sie beschäftigen konnten, ganz ähnlich, wie wohlhabende, mächtige Großgrundbesitzer Land brachliegen ließen. Außerdem handelte es sich bei einem Großteil der Sklaventätigkeit um Gelegenheitsarbeiten, die als Steuer oder Tribut entrichtet wurden.
    Ausländische Beobachter berichteten, dass die überflüssigen oder tributär beschäftigten Sklaven nur selten schwer oder lange arbeiten mussten und dass diese Arbeit ihrem Wesen nach weniger brutal war als die amerikanische Sklaverei. In Hinblick auf die Lebenserwartung scheint das zu stimmen. Auf einer amerikanischen Tabakplantage waren arbeitsunfähige Sklaven vollkommen wertlos und wurden entsprechend behandelt. In Afrika konnten solche Sklaven durchaus einen gewissen Wert haben – sie schmückten ihren Besitzer, so wie Diamantencolliers wertvoll sind, obwohl sie keinen praktischen Nutzen haben. Sogar

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