Kolumbus' Erbe: Wie Menschen, Tiere, Pflanzen die Ozeane überquerten und die Welt von heute schufen (German Edition)
sich eine Lehre sein: Europäer sind unzuverlässige Verbündete. [690]
Während Drake überlegte, was als Nächstes zu tun war, sichteten seine Männer das Schiff des französischen Piraten Guillaume le Testu, der erfahren hatte, dass sich die Engländer auf dem Isthmus aufhielten, und der seit Wochen versuchte, sie ausfindig zu machen. Testu war ein ausgezeichneter Kartograf, der dazu beigetragen hatte, eine kurzlebige französische Kolonie in der Nähe von Rio de Janeiro zu gründen, aber in Frankreich wegen seines protestantischen Glaubens vier Jahre im Gefängnis gesessen hatte. Als er nach Protesten beim König freigelassen wurde, bekam er einen Kaperbrief, vermutlich von italienischen Kaufleuten. Jetzt hoffte er, mit Drake zusammen Jagd auf die spanischen Schätze zu machen. Drake, Testu und Mandinga einigten sich darauf, gemeinsam einen Silbertreck zu überfallen, wenn er am Stadtrand von Nombre de Dios von den Hügeln herabkam.
Wieder führten die Maroons die Europäer in aller Stille durch den Wald und erreichten am 1 . April den Ort des Hinterhalts. Wieder teilten sie sich in zwei fünfzig Schritt voneinander entfernt postierte Gruppen entlang der Straße auf. Irgendwann am Vormittag hörten die wartenden Piraten und Maroons Glöckchen klingeln – hundertzwanzig Maultiere seien es gewesen, schreibt der Biograf, «von denen jedes eine Silberlast von dreihundert Pfund trug, was in toto nahezu dreißig Tonnen ergab». Dieses Mal klappte der Plan. Die Wachen flohen und ließen den Treck in den Händen der Piraten zurück. Außer sich vor Freude, aber zu erschöpft, um das ganze Silber durch die Hügel zu schleppen, befreiten die anglo-franko-afro-indianischen Kämpfer die Maultiere von ihrer glänzenden Last und vergruben die Beute in bester Piratenmanier in der Nähe eines Baches. Ein paar Silberbarren trugen sie als Trophäen davon. Erst etliche Kilometer vom Ort des Überfalls entfernt merkten sie, dass ein Franzose fehlte. Später erfuhren sie, dass er sich beim Vergraben des Silbers betrunken und ihren Abzug verpasst hatte. Er fiel den spanischen Soldaten in die Hände und verriet unter der Folter das Versteck des Silbers. Von Nombre de Dios brachen nach dem Bericht des Biografen «fast 2000 Spanier und Neger [auf], um nach ihm zu graben und zu suchen». Sie wühlten das ganze Gebiet um, fanden das Edelmetall und brachten es nach Nombre de Dios. Als Drakes Männer zum Versteck zurückkehrten, fanden sie nur noch «dreizehn Silberbarren und einige Goldringe» – weniger als zwei Prozent der ursprünglichen Beute.
Jahrzehnte später trug Philip Nichols, der Schiffskaplan bei Drake gewesen und sein Freund geworden war, die Erinnerung der Seeleute an diese Expedition zusammen und legte das Manuskript Drake zur Korrektur und Genehmigung vor. Das Ergebnis – die autorisierte Biographie, aus der ich zitiert habe – erschien unter dem seltsamen Titel
Sir Francis Drake Revived
(Der auferstandene Sir Francis Drake). Das Buch schildert Drakes Aufenthalt auf dem Isthmus – eine Zeit, in der er dreimal bei dem Versuch scheiterte, größere Mengen Silber zu erbeuten, und in der er die Hälfte seiner Männer durch Krankheit und im Kampf verlor, unter ihnen auch zwei seiner Brüder – als einen rauschenden Erfolg. Das ist vollkommen falsch. Zwar waren die Angriffe auf Nombre de Dios und Venta de Cruces Erfolge – aber für die Maroons. [691]
«Kapitulation»
Die Berichte über das Bündnis zwischen Maroons und Piraten erschütterten die spanische Krone, besonders weil die Kaufleute von Nombre de Dios, die vom Raub der Silberlieferung berichteten, die Information unterschlugen, dass sie fast die gesamte kostbare Fracht wiederbeschafft hatten. Weil sie zum größten Teil aus Steuerzahlungen an den Hof bestand, schmerzte ihr Verlust besonders. Die Kolonialbeamten nutzten den Vorfall, um den König aufzufordern, die Flotte zu senden und ein für alle Mal mit den Maroons aufzuräumen. «Den größten Kummer bereitet uns, dass wir in Bälde das drohende Verderben dieses Reichs mit eigenen Augen werden ansehen müssen, wenn Eure Majestät die Situation nicht augenblicklich bereinigen», behaupteten die offiziellen Vertreter von Nombre de Dios einen Monat nach dem Angriff. Der Hof, der mit Recht fürchtete, betrogen zu werden, schob die Entscheidung hinaus. Während die Kolonialverwaltung sich nicht zu einer klaren Linie entschließen konnte – mal versuchte sie, mit den afroindianischen Gemeinschaften zu
Weitere Kostenlose Bücher