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Kolumbus' Erbe: Wie Menschen, Tiere, Pflanzen die Ozeane überquerten und die Welt von heute schufen (German Edition)

Kolumbus' Erbe: Wie Menschen, Tiere, Pflanzen die Ozeane überquerten und die Welt von heute schufen (German Edition)

Titel: Kolumbus' Erbe: Wie Menschen, Tiere, Pflanzen die Ozeane überquerten und die Welt von heute schufen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles C. Mann
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Wari, die die Landschaft durch ihre Siedlungen und Infrastruktur grundlegend umgestalteten; die Moche, deren berühmte Keramiken jeden Aspekt des Lebens darstellten: vom Krieg über Arbeit und Schlaf bis hin zur Sexualität; Tiahuanaco, der höchste Stadtkomplex, der je erbaut wurde – er lag am Titicacasee, dem höchsten schiffbaren See der Erde; die Chimú, die Nachfolger der Moche, mit ihrer weitläufigen Hauptstadt Chan Chan – die Liste ist außerordentlich lang. Am bekanntesten sind heute die Inka, die in einem schnellen, gewaltsamen Eroberungszug einen Großteil der Anden unterwarfen, breite Straßen und verschwenderisch mit Gold geschmückte Städte erbauten, bis sie der spanischen Krankheit, der Syphilis, und den spanischen Soldaten zum Opfer fielen. [412]
    Die Geschichte der Zivilisationen im Mittleren Osten und in Ägypten ist an die Entwicklung von Weizen und Gerste geknüpft; entsprechend waren die indigenen Gesellschaften in Mexiko und Zentralamerika auf Mais gegründet. In Asien wurde die chinesische Geschichte nicht zufällig auf einem Papier geschrieben, das aus Reis hergestellt war. In den Anden verhielt es sich anders. Die Kulturen beruhten nicht auf Getreiden, sondern auf Pflanzen, deren nährende Bestandteile Knollen und Wurzeln waren, vor allem auf der Kartoffel.
    Archäologen haben Belege dafür entdeckt, dass Menschen in Südchile schon vor 13 000  Jahren Kartoffeln gegessen haben – nicht die moderne Art
Solanum tuberosum,
sondern
Solanum maglia
, eine Art, die immer noch an der Küste wächst. Doch die Genetiker wissen noch nicht genau, auf welchem Weg die andinen Völker die Kulturkartoffel gezüchtet haben. Da die frühen präkolumbischen Andenbewohner ihre Knollen vor allem aus Saatgut zogen und offensichtlich mehrere
Solanum-
Arten in einem Garten anpflanzten, dürften sie zahllose natürliche Hybriden erhalten haben, von denen einige vermutlich zur modernen Kartoffel führten. In einer häufig zitierten Studie versucht der Autor, den Prozess nachzuvollziehen; nach eingehenden Untersuchungen erklärte er, die heutige Kartoffel sei aus vier anderen Arten gezüchtet worden, von denen zwei als unbekannt zu bezeichnen seien. Auch die zeitliche Einordnung ist unklar: Archäologen haben nachgewiesen, dass die Andenvölker die Kulturkartoffel in ihrer modernen Form schon um 2000  v.Chr. gegessen haben. [413]
    Auf den ersten Blick lassen Kartoffeln ihre Eignung als Kulturpflanzen nicht erkennen. Wildkartoffeln haben einen hohen Anteil an Solanin und Tomatin, toxische Verbindungen, von denen man annimmt, dass sie die Pflanzen gegen Angriffe gefährlicher Organismen wie Pilzen, Bakterien und Menschen schützen. Durch Kochen lassen sich in vielen Fällen die chemischen Abwehrstoffe einer Pflanze beseitigen – beispielsweise kann man viele Bohnensorten erst gefahrlos essen, nachdem man sie eingeweicht und erhitzt hat, doch Solanin und Tomatin sind durch Kochtopf und Backofen nicht auszuschalten. Offenbar haben die Andenvölker sie neutralisiert, indem sie Erde gegessen haben – Ton, um genau zu sein. Auf dem Altiplano lecken Guanakos und Vikunjas – wild lebende Verwandte des Lamas – an tonhaltigem Boden, bevor sie giftige Pflanzen fressen. Die Toxine in den Blättern haften – wissenschaftlich: adsorbieren – an den feinen Tonteilchen. So gebunden durchqueren die Schadstoffe das Verdauungssystem der Tiere, ohne Schaden anzurichten. Diesem Beispiel folgend, tunkten die Indios offenbar ihre Wildkartoffeln in eine «Soße», die sie aus Lehm und Wasser herstellten. Schließlich züchteten sie weniger tödliche Sorten, obwohl einige der alten, giftigen Knollen immer noch angebaut werden, weil sie kälteresistent sind. In den Bergen werden bis heute auf den Märkten Tüten mit Tonstaub verkauft, um die Wildkartoffeln genießbar zu machen. [414]
    Die Menschen in den Anden aßen ihre Kartoffeln – genau wie heute die Europäer und Nordamerikaner – gekocht, gebraten oder gestampft. Aber sie kannten auch Zubereitungen, von denen man außerhalb des Hochlands kaum etwas weiß. Die Kartoffeln wurden gekocht, geschält, zerkleinert und zu sogenannten
papas secas
getrocknet; monatelang in abgestandenem Wasser gegoren, bis sich das klebrige, stark riechende
toqosh
bildete; zu Brei gemahlen, in einem Krug eingeweicht und gefiltert, wodurch
almidon de papa
 – Kartoffelstärke – entstand. Die häufigste Zubereitungsart war
chuño
. Dazu breitet man die Kartoffeln in kalten Nächten im

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